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Su Tseng-chang (66) ist Vorsitzender der taiwanischen Oppositionspartei DPP. Von 2006 bis 2007 war er Premierminister Taiwans.

© AFP

Interview mit Taiwans Oppositionsführer: „Die Situation könnte weiter eskalieren“

Oppositionspolitiker Su Tseng-chang spricht mit dem Tagesspiegel über das Verhältnis Taiwans zu China, die Position der Regierung und die schwierige Situation in Ostasien.

Chinas Regierungschef hat die erneute Erhöhung des Militärhaushaltes um zwölf Prozent bekannt gegeben. Ist China eine Bedrohung für Taiwan und Ostasien?

Es gibt keinen Zweifel daran, dass China eine aufstrebende Macht ist. Es ist die zweitgrößte Wirtschaft der Welt, aber es stellt in den letzten Jahren auch eine militärische Bedrohung für seine Nachbarn dar. In den letzten 20 Jahren ist Chinas Verteidigungsbudget jährlich zweistellig gewachsen. China unternimmt ständig Aktionen, um seine militärische Macht auszuweiten, sei es bei territorialen Ansprüchen oder der maritimen Aufrüstung. Die Spannungen steigen im Ostchinesischen und im Südchinesischen Meer.

Wie wirkt sich das auf Taiwan aus?

Diese Serie militärischer Expansionen löst Sorgen und Proteste in den benachbarten Ländern aus und hat zu einer potenziellen Instabilität in dieser Region geführt. Wir sind der Meinung, dass China als aufstrebende Macht mehr Verantwortung übernehmen sollte. China sollte sich bei seinem Benehmen an internationale Regeln halten.

Sie spielen auf die umstrittene Flugüberwachungszone im Ostchinesischen Meer an, die China im November überraschend eingeführt hat ...

... ohne die benachbarten Länder zu konsultieren – das war eine weitere Überraschung für diese Region. Länder wie die USA, Japan, Südkorea oder Australien haben Einspruch gegen Chinas einseitige Verkündung der Zone erhoben. Auch die EU hat Chinas Aktion verurteilt. Nach der Verkündung haben die USA, Südkorea und Japan alle ihre eigenen Kampfflugzeuge in die Zone entsandt. Die Situation könnte also weiter eskalieren. Das ist der Grund, weshalb die DPP und Taiwan alle benachbarten Länder aufrufen, Zurückhaltung zu üben und mögliche weitere Spannungen zu vermeiden.

China, Japan und Taiwan erheben Anspruch auf die Inselgruppe im Ostchinesischen Meer. Könnte es zum Krieg kommen?

Wir befürchten, dass der Konflikt weiter eskaliert, wenn es noch mehr Fehleinschätzungen von der chinesischen Seite gibt. Dann werden auch die USA aufgrund ihres Bündnisses mit Japan in diesen Konflikt hineingezogen. Die DPP erwartet aber nicht einen derart dramatischen Ausgang. Auf meiner Reise nach Japan vor einem Jahr habe ich öffentlich alle demokratischen Länder in dieser Region aufgerufen, enger zusammenzuarbeiten und den Dialog zu suchen.

Warum sehen Sie den aktuellen chinafreundlichen Kurs von Taiwans Präsident Ma Ying-jeou so kritisch?

Taiwan ist zu sehr vom chinesischen Markt abhängig. Die DPP spricht sich dafür aus, dass Taiwan neben dem Handel mit China die wirtschaftlichen Beziehungen mit allen anderen Ländern ausweitet. Bei verschiedenen Themen wie dem Inselkonflikt hat Präsident Ma Ying-jeou anfangs vage und vorsichtig reagiert. Das ist von den Chinesen so aufgefasst worden, als würde Taiwan sich auf die Seite Chinas schlagen. Dadurch gibt man den Chinesen noch größere Möglichkeiten, in den territorialen Disput einzugreifen. So werden die Spannungen weiter zunehmen.

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