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Interview: "Russland steht gar nicht so schlecht da"

Alexander Rahr ist Russlandexperte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Im Interview mit dem Tagesspiegel spricht er über den Kaukasus-Konflikt.

Selbst wenn die Waffen in Georgien bald schweigen sollten, bleibt der Konflikt um die abtrünnigen Regionen vorerst ungelöst. Wie kann es jetzt weitergehen?

Ich sehe fünf Szenarien. Man könnte versuchen, zu der Lage vor der georgischen Offensive zurückzukehren. Aber das will keine der Parteien mehr. Die Wiedereingliederung der abtrünnigen Regionen an Georgien halte ich für ebenso undenkbar. Drittens könnten die Russen die abtrünnigen Gebiete annektieren. Dies ist jedoch genauso wenig zu erwarten wie die Unabhängigkeit der Provinzen. Am wahrscheinlichsten ist eine Konföderation aus Georgien und den abtrünnigen Regionen. Sie würden dann eine gemeinsame Außenpolitik machen, im Innern wären sie jedoch vollkommen autonom.

Die USA haben Russland nach seiner Offensive vor Konsequenzen gewarnt. Droht eine diplomatische Eiszeit – oder gar ein neuer Kalter Krieg?

Das hängt davon, wer neuer Präsident wird. Heißt der Sieger John McCain, muss man in der Tat einen neuen Kalten Krieg befürchten. Für ihn ist klar: Russland allein ist der Bösewicht. Barack Obama hingegen würde eher auf Verhandlungen setzen und eine neue Konfrontation mit Russland vermeiden wollen.

Wie steht Russland nach seiner Militäroffensive in der Welt da?

Nicht so schlecht wie oft behauptet wird. Präsident Dmitri Medwedew hat ja die Truppen rechtzeitig zurückgepfiffen. Er ist nicht zu weit gegangen. Damit hat er dem Westen gezeigt, dass er auf Verhandlungen setzen will und darum bemüht ist, eine Eskalation zu vermeiden.

Was sagt Russlands Offensive über das Verhältnis von Präsident und Premier?

Sie hat gezeigt: Das russische Führungsduo funktioniert. Anders als erwartet haben sich Medwedew und Premier Wladimir Putin keinen Machtkampf geliefert. Sie haben Hand in Hand gearbeitet. Bei öffentlichen Auftritten hat sich Putin eher zurückgehalten. Man kann aber davon ausgehen, dass er hinter den Kulissen den Ton angegeben hat.

Das Gespräch führte Stefan Beutelsbacher.

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