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Frank-Walter Steinmeier ist seit dem 29. September 2009 Fraktionsvorsitzender der SPD und damit Oppositionsführer im Deutschen Bundestag.

© ddp

Interview: Steinmeier: „Wir werden nicht nachlassen“

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier kündigt im Interview mit dem Tagesspiegel eine Bundesratsinitiative zur Finanztransaktionssteuer an.

Hat sich die SPD beim Polit-Poker um die Griechenlandhilfe verzockt?

Ganz im Gegenteil. Wir haben von Anfang an klargemacht, dass Deutschland sich an dem Rettungspaket für Griechenland beteiligen muss. Zugleich war immer klar, dass wir eine reine Kreditermächtigung nicht mittragen würden. Für die SPD ist es unabdingbar, dass die Kosten der Krise nicht erneut auf den Steuerzahler abgewälzt werden.

Glauben Sie, dass die Deutschen es verstehen, wenn die SPD im Bundestag einem Rettungspaket die Zustimmung verweigert hat, das sie eigentlich für notwendig hält?

Ich bin sicher: Die Haltung der SPD wird im Land sehr gut verstanden. Die Menschen wissen doch, dass wir jetzt die Chance nutzen müssen, die Finanzmärkte in die Pflicht zu nehmen, weil diese Chance so schnell nicht wiederkommt. Deshalb wird auch das dumme Gequatsche von Union und FDP, die SPD verhalte sich nicht europafreundlich, keine Wirkung zeigen.

Muss eine Partei mit einer so langen europapolitischen Tradition wie die SPD nicht klare Prioritäten setzen, wenn die Existenz Europas auf dem Spiel steht?

Die SPD stand und steht für ein geeintes Europa. Das habe ich im Bundestag absichtlich mehr als deutlich gemacht. Es ist doch in Wahrheit so, dass sich diejenigen an Europa versündigen, die nichts unternehmen, um die Finanzmärkte zu regulieren und an den Krisenkosten zu beteiligen.

Am Ende dieser Woche steht die SPD zusammen mit der Linkspartei allein in der Ecke der Verweigerer. Das kann Ihnen doch nicht recht sein.

Diese Darstellung ist völliger Unsinn. Die SPD steht politisch zum Rettungspaket. Und wir haben durch unseren Fristverzicht die rechtzeitige Verabschiedung erst möglich gemacht. Aber wir brauchen auch Instrumente, die dafür sorgen, dass die Länder der EU nach der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise wieder zu Einnahmen kommen, damit die Verursacher an den Kosten der Krise beteiligt werden. Deshalb haben wir die Finanztransaktionsteuer gefordert, und an dieser Forderung halten wir fest.

Die Grünen verlangen ebenfalls eine Transaktionsteuer, haben den Griechenlandhilfen aber zugestimmt. Sehen Sie darin eine Anzahlung auf eine schwarz-grüne Koalition in Nordrhein-Westfalen oder im Bund?

Die Grünen müssen diesen Widerspruch für sich auflösen. Wir haben eine andere Konsequenz gezogen. Die Regierung hat ihre eigene Mehrheit. Wenn sie eine größere Mehrheit hätte haben wollen, hätte sie dafür etwas tun müssen. Das hat sie aber nicht.

Die schwarz-gelbe Koalition hat Ihnen in letzter Minute angeboten, sich für Abgaben auf Boni und Gewinne einzusetzen. Warum genügt Ihnen diese „Financial Acitivity Tax“ nicht?

Weil ich doch jetzt schon sehe, wie das ausgeht. Jetzt tun die Union und die FDP so, als sei ihnen das das liebere Instrument. Käme es wirklich, würde der Streit beginnen, ob es in Deutschland eine unterschiedliche Besteuerung von Unternehmen der Real- und der Finanzwirtschaft geben darf. Im Übrigen ist es eine Besteuerung, die nur am Gewinn ansetzt. Und wir haben nun wahrhaft erlebt, wie kreativ Unternehmen mit der Gestaltung von Gewinnen umgehen. Ich sage Ihnen voraus: Mit diesem Instrument bewegen wir nichts. Das heißt: Wer die Finanzwirtschaft an den Kosten der Krise beteiligen will, kommt an der Transaktionssteuer nicht vorbei.

In Nordrhein-Westfalen wird am Sonntag gewählt. Glauben Sie, dass sich die Enthaltung im Bundestag für die SPD rentieren wird?

Wer sich bei einer so weit reichenden Entscheidung von parteitaktischen Motiven leiten lässt, der wird seiner Verantwortung gegenüber Europa nicht gerecht. Es war verantwortungslos, dass Frau Merkel die Entscheidung über die Hilfen bis nach der Wahl hinziehen wollte. Dieser Plan ist nicht aufgegangen, weil Griechenland früher in Finanzierungsschwierigkeiten geraten ist. Merkels Verzögerungstaktik hat uns viel Geld gekostet.

SPD-Chef Sigmar Gabriel hat aber in der Debatte am Freitag im Bundestag gesagt, die Bundesregierung werde am Sonntag in Nordrhein-Westfalen die Quittung dafür bekommen, dass sie die Finanztransaktionssteuer ablehnt. Geht es doch um Innenpolitik?

Gabriel sprach vom Krisenmanagement der Bundesregierung in der Griechenland-Krise. Er hat völlig recht, wenn er diese kritisiert.

Gesetzt den Fall, die SPD kommt nach der Wahl am Sonntag wieder in die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen: Bringt Ihre Partei dann eine Bundesratsinitiative für die Transaktionssteuer auf den Weg?

Wir werden an diesem Punkt aus Überzeugung nicht nachlassen. Wir werden auch Bundesratsinitiativen dazu starten. Ich selbst werde weiterhin mit meinen Kontakten auf internationaler Ebene dafür werben, solche Instrumente zu nutzen. Nicht nur die Menschen in Deutschland, auch die Menschen in anderen EU-Ländern erwarten von der Politik, dass sie endlich die Finanzmärkte in Haftung nimmt für die Schäden, die sie aus Leichtsinn, Gier oder Verantwortungslosigkeit angerichtet haben.

Das Gespräch führten Stephan Haselberger und Hans Monath.

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