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Ferrero-Waldner

© AFP

Interview: "Zwischen Führungspersonen muss die Chemie stimmen"

EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner über EU-Außenpolitik und den Posten des Ratspräsidenten.

Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker hat sein Interesse am Posten des EU-Ratspräsidenten signalisiert. Welche Chancen geben Sie ihm?



Es gibt eine ganze Reihe sehr prominenter und guter Persönlichkeiten, die für die künftigen Spitzenposten der EU infrage kommen. Aber ich habe nicht vor, mich in die Personalspekulationen einzumischen. Für mich ist wesentlich, dass die Chemie zwischen den künftigen Führungspersonen der EU stimmt.

Deutschland schickt keine Frau als Vertreterin in die künftige EU-Kommission, und auch Österreichs Regierung tut es nicht – Sie wurden nicht erneut für einen Brüsseler Posten nominiert. Geht der Appell des EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso, in die künftige Kommission genügend Frauen zu berufen, ins Leere?

Ich kann als Frau nur sagen, dass ich es völlig richtig fand, dass Kommissionspräsident Barroso wie schon bei der Zusammenstellung seiner letzten Kommission auch sehr stark auf qualifizierte Frauen setzt. Es ist schade, dass bisher leider wenige EU-Staaten Frauen nominiert haben. Das sage ich ganz generell, einmal abgesehen von mir selber.

Mit dem Lissabon-Vertrag wird auch das Amt eines „EU-Außenministers“ geschaffen. Wird Europas Außenpolitik dann tatsächlich die gemeinsame Telefonnummer haben, nach der der ehemalige US-Chefdiplomat Kissinger einmal gefragt hat?

Bei dieser Frage muss ich immer ein bisschen lächeln. Bisher gab es mit dem EU-Außenbeauftragten Javier Solana und mir zwei Persönlichkeiten, die sozusagen eine gemeinsame Telefonnummer gehabt haben. In Zukunft wird es eine einzige Persönlichkeit sein. Aber es gibt immer noch 27 Außenminister in der Europäischen Union. Das sollte man nicht vergessen. Für das Gelingen der künftigen europäischen Außenpolitik kommt es am Ende auf den politischen Willen der Mitgliedstaaten an, ein politisches Ziel wirklich zu verfolgen. Denn in der Außenpolitik gilt das Prinzip der Einstimmigkeit.

Der neue EU-Chefdiplomat wird also nicht der alleinige Ansprechpartner für sämtliche außenpolitischen Fragen der EU sein?

Der „Außenminister“ wird enorm viel zu tun haben. Er wird vielleicht mehr im Flugzeug sein als zu Hause. Er kann sich nicht in allen Gegenden der Welt gleichzeitig aufhalten. Deshalb muss man überlegen, ob man ihm Persönlichkeiten mit politischem Profil zur Seite stellen kann, die ihm helfen. Solana und ich haben beide viel gearbeitet. Auch wir konnten nicht alle Bereiche der Außenpolitik komplett abdecken. Es geht einfach nicht, weil man sich nicht klonen kann. Beispielsweise stellt sich die Frage, wer sich um die regelmäßige Pflege der Beziehungen zu Drittstaaten etwa in Asien, Lateinamerika oder im Rahmen der Mittelmeerunion und der Östlichen Partnerschaft kümmert. Man sollte darüber diskutieren, ob diese Aufgabe eventuell weiterhin in der Kommission verankert bleibt. Natürlich sollte der „EU-Außenminister“ aber für sämtliche Bereiche die Oberaufsicht führen.

Benita Ferrero-Waldner ist seit 2004 EU-Außenkommissarin. Die Diplomatin gehört der konservativen österreichischen Partei ÖVP an.

Das Gespräch führte Albrecht Meier.

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