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Die Bundesregierung will den Bau und Betrieb von Autobahnen neu regeln.

© Illustration: Promo

Investitionen in die Infrastruktur: Mogelpackung Autobahngesellschaft

Die Bundesregierung will für den Ausbau und Betrieb von Autobahnen mehr privates Kapital mobilisieren. Es geht um viel Geld. Aber der Widerstand wächst.

Das Projekt schien so gut wie beschlossen. Als Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) im vergangenen April den Bericht seiner Expertenkommission zur Steigerung der Investitionen in Deutschland vorstellte, traf vor allem ein Vorschlag auf Zustimmung im Kabinett: Ausbau und Betrieb des deutschen Fernstraßennetzes sollten nicht länger der "Auftragsverwaltung" der Bundesländer überlassen bleiben, sondern künftig von einer bundeseigenen "Infrastrukturgesellschaft" übernommen werden. Und um nötige Mittel zu bekommen, sollte diese Gesellschaft "private Investoren" beteiligen – eine Idee, die es Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) besonders angetan hatte. Denn mit der Fernstraßenfirma könnten Kredite so gebucht werden, dass sie nicht gegen die Schuldenbremse verstoßen und auch nicht auf die Schuldenquote nach den Regeln der Eurozone angerechnet werden. "Deutschland braucht den Systemwechsel, wir machen das", versicherte Deutschlands oberster Kassenwart.

Doch ob und wie das Vorhaben umgesetzt wird, ist höchst ungewiss. Denn nicht nur die Bundesländer haben starke Vorbehalte. Auch die SPD-Bundestagsfraktion mag den Plänen der Minister nicht folgen. Wegen der notwendigen Änderung des Grundgesetzes ist deren Zustimmung aber zwingend notwendig.

Umstritten ist schon die Rechtsform der geplanten Gesellschaft. Geht es nach dem von Minister Dobrindt im Dezember vorgelegten Plan, dann soll eine einfache GmbH künftig das Autobahnnetz managen. Diese soll über eine "eigene Kapazität zur Kreditaufnahme" verfügen, aber ohne "Haftungsverbund" mit der Bundeskasse auskommen. Käme es dazu, hätte das teure Konsequenzen. Das belegt der Fall der Bahn AG. Weil die Bahnmanager ohne Staatsgarantie operieren, müssen sie für Anleihen fast ein Prozent mehr Zins bieten, als für Bundesanleihen fällig sind. Genauso würde es der künftigen Fernstraßengesellschaft gehen.

Georg Hermes, Professor für öffentliches Recht an der Universität Frankfurt, hält die Konstruktion daher für "eine Mogelpackung". Da werde "eine Pseudounabhängigkeit" erklärt, um die Schuldenstatistik zu schönen und "einen Subventionsapparat für die notleidende Versicherungsbranche" zu schaffen, warnt der Jurist. Dabei zeigt das Euroland Österreich, dass es anders geht. Dort verwaltet die staatseigene Gesellschaft "Asfinag" das Autobahnnetz, allerdings mit staatlicher Garantie. Darum hat sie die gleiche Bonität wie der Staat und zahlt den gleichen Zins. Trotzdem werden ihre Schulden nicht dem Staatshaushalt zugerechnet. Warum die Bundesregierung dennoch den teuren Weg gehen will, mochten die drei verantwortlichen Minister trotz Nachfrage lieber nicht begründen.

Das nährt das Misstrauen in der SPD-Bundestagsfraktion. Zwar wollen auch die Sozialdemokraten dem Bund mehr Verantwortung für die Autobahnen übertragen, weil die Auftragsverwaltung nicht effizient ist. Schon oft kam es vor, dass beschlossene Ausbauprojekte länger dauerten und teurer wurden als geplant, weil die Bundesländer nicht genügend Personal hatten. Aber zugleich wollen die Abgeordneten eine enge Kontrolle durch den Bundestag. In einem Positionspapier fordern die SPD-Abgeordneten für Haushalt, Verkehr und Wirtschaft deshalb, das Autobahnmanagement einer "Anstalt öffentlichen Rechts" zu übertragen. Das ginge automatisch mit einer Staatsgarantie einher. Zudem dürfe der Kreditrahmen den Umfang einer jährlichen Mauteinnahme nicht überschreiten. "Wir wollen auf keinen Fall noch mal so was wie die Bahn", wo der Bundestag wenig zu sagen habe, mahnt Bettina Hagedorn, Vorsitzende des Ausschusses für Rechnungsprüfung und Mit-Autorin des Papiers.

Genau das aber planen offenbar die beteiligten Bundesministerien. Denn in ihrem Konzept heißt es, der Gesellschaft müssten "die notwendigen Entscheidungsspielräume verbleiben" und "der Bund gewährleistet, dass dem Wohl der Allgemeinheit bei Ausbau und Erhalt des vorhandenen Netzes Rechnung getragen wird". Das allerdings ist exakt die Formulierung, die 2004 Eingang in den Artikel 87 des Grundgesetzes fand, mit dem die Bahn zur Privatisierung freigegeben wurde. Das deute "klar auf Privatisierung" hin, schwant dem Verwaltungsrechtsexperten Hermes.

Diese Befürchtung hegt auch Carsten Waßmuth, Sprecher der Initiative "Gemeingut in Bürgerhand", die gegen den Verkauf öffentlicher Güter streitet. Die geplante Gesellschaft solle offenbar "eigenständig entscheiden, private Investoren am Autobahnbau zu beteiligen", meint der Aktivist. Das Instrument dafür seien die "Öffentlich-Privaten Partnerschaften" (ÖPP), wie sie bisher schon bei sieben Autobahnprojekten praktiziert werden. Dabei erhielten private Baukonzerne den Auftrag, längere Abschnitte in eigener Regie auszubauen und 30 Jahre lang zu betreiben. Dafür erhalten sie eine garantierte Vergütung, wenn sie die Strecken in Schuss halten. Der Bundesrechnungshof hatte jedoch herausgefunden, dass dies bei den ersten vier Projekten 1,4 Milliarden Euro teurer war als die konventionelle Ausführung durch den Staat. So war es auch in Österreich. Darum hat die Asfinag das Konzept aufgegeben Dagegen machte Minister Dobrindt geltend, die ÖPP-Projekte seien schneller fertig, das gleiche die höheren Kosten für die privaten Investoren aus.

Ironischerweise könnte mit der geplanten Reform aber auch dieser Vorteil wegfallen. Denn wenn die Reibungsverluste zwischen Bund und Ländern erst mal aufgehoben sind, könnten die staatlichen Autobahnmanager "genauso effizient wirtschaften wie die Privaten", erwartet der Kasseler Verkehrsprofessor Helmut Holzapfel, So sehen das auch die Fachleute der SPD-Fraktion. Das Ziel sei, "die Investitionen auf der Zeitachse zu optimieren, um so auf ÖPP verzichten zu können", schrieben sie. Setzen sie sich durch, dann wird es nichts mit der Autobahn-Bonanza für die Investoren.

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