zum Hauptinhalt

Irak: Differenzen bei erster Parlamentssitzung

Die Iraker werden drei Monate nach der Wahl langsam ungeduldig und auch Washington will in Bagdad Fortschritte sehen. Deshalb fanden sich die Abgeordneten nun zu ihrer ersten Parlamentssitzung zusammen.

Kairo - Aber selbst bei diesem kurzen Treffen traten die Differenzen zwischen den Fraktionen schon deutlich zu Tage. Vor allem die Schiiten wurden unruhig, als der Alterpräsident Adnan Padschadschi in seiner Eröffnungsrede die Parteien ermahnte, sich auf das Wohl des Volkes zu konzentrieren und beim Aufbau des Staatsapparates nicht nur darauf zu schauen, welche Religionsgruppe die meisten Posten besetzt. «Es ist höchste Zeit, dass wir uns von Quoten für die Angehörigen der verschiedenen Konfessionen und Parteien verabschieden», sagte er.

Damit spricht der säkulare Sunnit vielen Irakern aus dem Herzen, die unzufrieden damit sind, dass Ämter in den Ministerien und bei den Sicherheitskräften oft nach diesen Kriterien besetzt werden. Denn der Skandal um Beamte des von einem Schiiten geleiteten Innenministeriums, die bei illegalen «Rachefeldzügen» Sunniten umgebracht hatten, ist nur die Spitze des Eisbergs. Auch in anderen Bereichen zählt im «neuen Irak» oft die Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen oder religiösen Gruppe.

Verfassung als Rezept für Auseinanderbrechen des Staates

Auch Padschadschis Aufforderung an die Parlamentarier, möglichst rasch ein Komitee zu bilden, das sich um «Änderungen in der Verfassung» kümmert, dürfte weder den Schiiten noch den Kurden gefallen haben. Denn sie hatten immer wieder betont, grundlegende Änderungen an der föderalen Verfassung, die im vergangenen Oktober per Referendum angenommen worden war, seien für sie ausgeschlossen. Für die Sunniten ist dies jedoch eine Voraussetzung für ihre Beteiligung an einer Regierung der Nationalen Einheit. Denn sie sehen in der Verfassung ein Rezept für ein Auseinanderbrechen des Staates.

Außerdem fordern die Sunniten die Gründung eines nationalen Sicherheitsrats, der die Arbeit der Regierung überwacht. Damit wollen sich die sunnitischen Araber mehr Einfluss sichern, als ihnen nach der Zahl ihrer Sitze im Parlament zufallen würde.

Die Iraker, die unter den täglichen Entführungen, Attentaten und Terroranschlägen leiden, müssen unterdessen weiter warten. Denn bis sich die vier wichtigsten Fraktionen - die religiösen Schiiten, die Kurden, die arabischen Sunniten und die säkularen Kräfte - über die Besetzung der Schlüsselpositionen in der neuen Regierung geeinigt haben, können noch Wochen ins Land gehen. Erst dann wird das Parlament wirklich seine Arbeit aufnehmen können. (Von Anne-Beatrice Clasmann, dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false