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Irak: Gute Absichten sind keine Lebensversicherung

Susanne Osthoff ist die erste Deutsche, die im Irak entführt wurde. Es bleibt nun abzuwarten, ob alle irakischen Fraktionen mit Beziehungen zu Widerstandsgruppen dazu beitragen können, die Freilassung der Archäologin aus Bayern zu erreichen.

Hamburg - Dazu zählt der sunnitische Rat der Religionsgelehrten, mit dessen Unterstützung schon mancher Ausländer aus der Gewalt radikaler Islamistengruppen befreit werden konnte.

Doch eine Garantie gibt es nicht. So hatte vor allem der Fall der entführten und später ermordeten Britin Margret Hassan im vergangenen Jahr gezeigt, dass gute Absichten alleine im Zweistromland noch keine Lebensversicherung sind. Tatsächlich erinnert die Entführung der 43-jährigen Deutschen, die für Hilfslieferungen einen Preis für Zivilcourage erhalten hat, gleich in mehrfacher Hinsicht an das Schicksal der Britin Hassan. Auch Hassan war Muslimin und mit einem Araber verheiratet, was sie nicht schützte. Auch Hassan war als Chefin der Hilfsorganisation CARE ins Land gekommen, um Bedürftigen zu helfen. Sie sprach wie Osthoff Arabisch und kannte die irakische Kultur gut.

Hassans Tod blieb mysteriös. Einige Beobachter halten es für möglich, dass es gar keine sunnitischen Extremisten waren, die Hassan töteten, sondern Kriminelle, die an der Frau ihre Wut darüber ausließen, dass ihnen das angebotene Lösegeld nicht ausreichte. Wie die Gruppe, die Hassan am 19. Oktober 2004 in Bagdad entführte, gaben sich die Osthoff-Entführer zunächst namentlich nicht zu erkennen. Das macht Bemühungen um ihre Freilassung besonders schwer. Hinzukommt, dass Osthoff offensichtlich bereits seit vergangenen Freitag in der Gewalt der Kidnapper ist. Deutsche Experten, die sich mit dem Szenario möglicher Geiselnahmen im Irak schon vor Monaten befasst haben, halten die ersten 48 Stunden für entscheidend. Es gibt Belege dafür, dass Geiseln in dieser Phase von den ursprünglichen Entführern an eine noch skrupellosere oder politisch radikalere Gruppe «verkauft» wurden.

Damit hatten die Entführer im Fall Hassan gedroht. Doch nach britischen Presseberichten wollte damals nicht einmal die Al-Qaida-Gruppe von Abu Mussab al-Sarkawi die Geisel «übernehmen», für die Hunderte von Irakern Solidaritätsdemonstrationen in Bagdad veranstalteten.

Im Prinzip gibt es nach Einschätzung von Irak-Beobachtern im Fall Osthoff drei mögliche Szenarien. Erstens: Den Entführern geht es nur um Geld. Dann stellt sich die Frage, ob das Leben einer deutschen Staatsbürgerin riskiert werden darf um zu zeigen, dass man nicht erpressbar ist? Oder soll man zahlen und schweigen?

Zweitens: Eine politisch motivierte Islamistengruppe oder eine radikale Gruppe von Anhängern des Regimes von Saddam Hussein hat die Deutsche entführt. In diesem Fall sehen Beobachter dieses Problem: Wie will man mit einer Gruppe sprechen, die Deutschland, das sich gegen den Irak-Krieg ausgesprochen hatte, wegen seines kleinen Beitrags zur Ausbildung irakischer Sicherheitskräfte erpressen will?

Drittens: Die Archäologin ist in der Gewalt einer Islamistengruppe, die weniger radikal als beispielsweise die Sarkawi-Gruppe ist. Dann dürften einflussreiche Geistliche des Landes eine Chance haben, die Kidnapper davon zu überzeugen, dass sie auch aus Sicht militanter Besatzungsgegner schlicht die Falsche entführt haben, und Susanne Osthoff freikommen müsse. (Von Anne-Beatrice Clasmann, dpa)

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