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Politik: Irak: Kapital verspielt

Das Hauptziel seiner Reise in den Nahen Osten kann der neue US-Außenminister Colin Powell getrost vergessen: Es wird ihm nicht gelingen, die arabischen Staaten auf die Fortsetzung oder gar Verschärfung der Sanktionen gegen Irak einzuschwören. Stattdessen wird er nach den amerikanischen und britischen Luftangriffen auf Ziele bei Bagdad vor genau einer Woche eher Schadensbegrenzung betreiben müssen.

Das Hauptziel seiner Reise in den Nahen Osten kann der neue US-Außenminister Colin Powell getrost vergessen: Es wird ihm nicht gelingen, die arabischen Staaten auf die Fortsetzung oder gar Verschärfung der Sanktionen gegen Irak einzuschwören. Stattdessen wird er nach den amerikanischen und britischen Luftangriffen auf Ziele bei Bagdad vor genau einer Woche eher Schadensbegrenzung betreiben müssen. Denn auch wenn Powell bei seiner heute beginnenden Rundreise mit Ausnahme Syriens nur befreundete arabische Regierungschefs aufsuchen will - auch diese werden mit ihrer Kritik an der ersten Initiative der neuen US-Regierung nicht sparen. Doch auch die Regierungen, allen voran der ehemalige Golfkriegsallierte Ägypten, verurteilen die Angriffe und fordern das Ende der Sanktionen, unter denen die irakische Bevölkerung nun seit zehn Jahren leidet.

Dabei hatte die arabische Welt die Wahl von George W. Bush zunächst begrüßt, da man sich eine neutralere Position von ihm erwartete als von seinem Vorgänger Bill Clinton, der als einer der Israel-freundlichsten US-Präsidenten angesehen wird. Auch die Tatsache, dass Vater George Bush nach dem Golfkrieg zur Befreiung Kuwaits, den die meisten arabischen Regierungen mitgetragen hatten, die Friedensverhandlungen in Madrid ermöglichte, wurde seinem Sohn zugute gehalten.

Doch dieses Kapital hat der neue Präsident schnell verspielt. Wenn syrische Zeitungen den Start der neuen US-Regierung in der Region als "schlecht" bezeichnet, mag dies Powell nicht groß beunruhigen. Doch wenn der Vorsitzende des Sicherheitsausschusses des syrischen Parlaments, Jassir Nehlawi, darauf hinweist, dass Irak - wenn auch unter militärischem Druck - sich schließlich aus dem besetzten Kuwait zurückgezogen hat, während Israel weiterhin arabisches Land besetzt hält, dann vertritt er damit eine weit verbreitete Meinung. Sogar der ägyptische Präsident Hosni Mubarak hat die Bombenangriffe verurteilt, weil sie die "Situation nur komplizieren", zumal Saddam Hussein nach seiner Ansicht "keine Bedrohung darstellt". Damit stellt sich einer der Hauptverbündeten der USA offen gegen den von Washington gewünschten Kurs.

Die arabischen Staaten werden bei ihren Treffen mit Powell vor allem den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern ansprechen. Einmal halten sie ihn für die Wurzel allen Übels in der Region. Außerdem wollen sie, dass Washington Druck auf Israel ausübt, das in ihren Augen zu brutal gegen die Palästinenser vorgeht. Powell selbst hatte bereits angekündigt, dass er Israel auffordern will, die seit Monaten zurückgehaltenen Steuereinnahmen an die Palästinenser-Regierung auszuzahlen. Die Berichte verschiedener UN-Organisationen über den Zusammenbruch der Infrastruktur und Wirtschaftstätigkeit in den abgeriegelten Gebieten, eine Arbeitslosenrate von 40 Prozent und das Ansteigen der Armut haben auch im Westen Sorge hervorgerufen.

Bei Powells Besuch wird sicher auch der Einsatz von US-Waffen zur gezielten Tötung von Palästinensern, die Israel für verdächtig hält, angesprochen werden. Diese "Liquidierungen" wurden von allen Regierungen der Region scharf verurteilt. Der palästinensische Informations- und Kulturminister Abbed Rabbo hat sich in einem Brief an die Mitchell-Kommission, die die Ursachen der Gewalt untersucht, darüber beschwert, dass amerikanische Apache-Hubschrauber für diese "außer-legalen" Hinrichtungen genutzt würden. Im Oktober vergangenen Jahres hatte Washington den Verkauf weiterer 80 Apache- und Blackhawk-Hubschrauber an Israel genehmigt.

Also wird Powell eine neue Lage vorfinden: Vor zehn Jahren, als er den Oberbefehl über die US-Truppen im Golfkrieg hatte, herrschte teilweise eine tiefe Kluft zwischen der Bevölkerung in den arabischen Ländern und ihren Regierungen, die eine Militärallianz mit den USA und anderen westlichen Staaten im Kampf gegen Irak eingingen. Heute vertreten auch moderate und mit den USA befreundete Regierungen wie Ägypten und Jordanien mit Blick auf Irak und Palästina Positionen, die mehr im Einklang mit der Stimmung der eigenen Bevölkerung sind - und denen der USA zuwiderlaufen.

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