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Irak-Politik: Bush erwägt Verstärkung der Armee

US-Präsident George W. Bush erwägt die US-Streitkräfte im Kampf gegen den Terror aufstocken. In einem Interview rückte Bush erstmals von seiner Haltung ab, wonach die USA im Irak auf der Siegerseite seien.

Washington - In einem Interview mit der Zeitung "Washington Post" sagte Bush, er neige zu der Ansicht, dass "wir unsere Truppen, das Heer, die Marineinfanterie, vergrößern müssen". Eine konkrete Zahl wollte der Präsident in dem im Internet veröffentlichten Gespräch nicht nennen. Er habe Verteidigungsminister Robert Gates beauftragt, Pläne zu entwicklen. Die Sicherheitslage im Irak hat sich einem Bericht des US-Verteidigungsministeriums zufolge in den vergangenen Monaten dramatisch verschlechtert.

Bush rückte in dem Zeitungsinterview zum ersten Mal von seiner bisherigen Haltung ab, wonach die USA im Irak auf der Siegerseite seien. Stattdessen zitierte er die Umschreibung von Generalstabschef Peter Pace: "Wir gewinnen nicht, wir verlieren nicht." Ende Oktober hatte der Präsident noch öffentlich erklärt: "Absolut, wir gewinnen."

Strapazierte Truppen

Die Streitkräfte seien "ohne Frage" sehr strapaziert worden, sagte Bush in dem Interview. Die US-Bodentruppen zählen derzeit 507.000 Soldaten, demnächst 512.000. Die Marineinfanterie kommt auf 180.000 Soldaten. Über eine mögliche Änderung der Strategie im Irak, wie sie von der Baker-Hamilton-Kommission vorgeschlagen wurde, oder eine Entsendung von mehr Soldaten in das vom Krieg erschütterte Land habe er noch nicht entschieden, sagte Bush weiter.

Angesichts des drohenden Bürgerkrieges im Irak sind sich die US-Militärführung und das Weiße Haus laut dem Bericht der "Washington Post" weiter uneins über eine Verstärkung der US-Armee im Irak um 15.000 bis 30.000 Mann. Der US-Generalstab lehne den Plan der US-Regierung ohne eine klare Definition der Aufgaben dieser zusätzlichen Truppen ab, weil er eine Stärkung des Widerstandes gegen die als Besatzer empfundenen US-Soldaten fürchte, berichtete das Blatt. Derzeit haben die USA 129.000 Soldaten im Irak stationiert, in den vergangenen Monaten waren es durchschnittlich 140.000. Die Kosten des Krieges könnten nach Angaben aus dem Weißen Haus im laufenden Haushaltsjahr 110 Milliarden Dollar (83,6 Milliarden Euro) übersteigen.

Powell gegen Aufstockung

Auch der frühere US-Außenminister Colin Powell hatte sich in einem Gespräch mit dem Fernsehsender CBS gegen von Medien erwähnte Pläne der Regierung ausgesprochen, die US-Truppen Irak aufzustocken. Ähnlich äußerten sich führende Senatoren der Demokratischen Partei wie Harry Reid und Ted Kennedy.

Bushs äußerte sich vor dem Hintergrund pessimistischer Einschätzungen der Sicherheitslage im Irak. Von Mitte August bis Mitte November sei die Zahl der Anschläge im Vergleich zu den drei vorangegangenen Monaten um 22 Prozent gestiegen, hieß es in einem am Montag (Ortszeit) dem Kongress in Washington übergebenen Bericht des Pentagon. Jede Woche werden demnach im ganzen Land fast 960 Angriffe verübt, pro Tag sind das 137.

Sadr gefährlicher als Al Qaida

Hauptziel der Anschläge sind mit 68 Prozent weiterhin die US-Truppen und ihre Verbündeten. Die meisten Opfer sind allerdings Iraker. Die Verfasser des 53 Seiten umfassenden Pentagonberichtes stellten fest, dass sich mehr als die Hälfte aller Attacken auf zwei Provinzen - Bagdad und Al Anbar - konzentrieren. An der Gewalt zwischen Schiiten und Sunniten habe auch der Prozess der Nationalen Versöhnung nichts geändert, der zahlreiche Stammesführer beider Konfessionen zusammengebracht habe, bemängeln die Pentagan-Experten.

Als größte Gefahr für die Sicherheit stuft das Pentagon mittlerweile die Miliz des radikalen Schiitenführers Moktada Sadr noch vor dem irakischen Ableger von Al Qaida ein. Die so genannte Mehdi-Armee soll mittlerweile 60.000 Kämpfer unter Waffen haben und hat aus Sicht des Pentagons die irakische Zelle des Terroristennetzwerks Al Qaida als gefährlichste Kraft abgelöst.

"Kultur des Misstrauens"

Ein ranghoher US-General beklagte das Klima des Misstrauens unter den Irakern. Das Misstrauen sei in den vergangenen Monaten gewachsen und könne die Gewalt zwischen Sunniten und Schiiten weiter anheizen, sagte Martin Dempsey während einer Konferenzschaltung mit Journalisten in Washington. Auf lange Sicht könne die "Kultur des Misstrauens" zur "gefährlichsten Bedrohung" werden. Dempsey leitet die Ausbildung irakischer Sicherheitskräfte.

Die Zahl der Selbstmorde unter im Irak und in Kuwait stationierten US-Soldaten nahm 2005 im Vergleich zum Vorjahr zu. Insgesamt hätten sich im vergangenen Jahr 22 Soldaten das Leben genommen, während es 2004 zwölf waren und 2003 25. Die Zahlen wurden am Dienstag vom US-Heer veröffentlicht.

(tso/AFP)

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