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Irak: Spiel mit dem Feuer

Hunderte sunnitische Politiker sollen von der Parlamentswahl am 7. März ausgeschlossen werden. Washington fürchtet neues Ungemach.

Jetzt muss Joe Biden wieder ran. Mehrmals nahm der amerikanische Vizepräsident in den letzten Tagen Iraks Führungsspitze per Telefon ins Gebet, allen voran den schiitischen Premier Nuri al Maliki, aber auch den kurdischen Präsidenten Jalal Talabani und seinen sunnitische Vize Tareq al Haschemi. Seit die gefürchtete „Kommission für Rechenschaft und Gerechtigkeit“ angekündigt hat, sie werde mehr als 500 meist sunnitische Politiker von den Parlamentswahlen am 7. März ausschließen, fürchtet das Weiße Haus neues politisches Ungemach in Bagdad.

Zur Begründung für diesen Paukenschlag erklärte das Gremium, die Gebannten hätten dem Regime von Saddam Hussein oder seiner Baath-Partei nahegestanden – 182 gehörten dem Geheimdienst an, 216 waren Parteimitglieder und 105 erhielten als Offiziere Ehrenmedaillen aus der Hand des irakischen Diktators.

Die „Kommission für Rechenschaft und Gerechtigkeit“ ist hervorgegangen aus dem Komitee zur Entbaathisierung, das der US-Zivilverwalter Paul Bremer nach Kriegsende installiert hatte. Heute wird sie von zwei Politikern geführt, denen enge Verbindungen zu Teheran nachgesagt werden und die dem schiitischen „Irakischen Nationalkongress“ angehören. „Der Iran übt einen großen Einfluss in dieser Sache aus”, vermutet der unabhängige sunnitische Abgeordnete Mithal Alusi. Er hält das Ganze für ein abgekartetes Spiel. „Teheran möchte verhindern, dass im Irak erfolgreiche, demokratische Wahlen stattfinden.“

Andere Parlamentarier argwöhnen, die Schiiten wollten unliebsame Konkurrenten kaltstellen. So soll zu den Ausgeschlossenen auch der sunnitische Verteidigungsminister Abdul-Qader Obaidi gehören sowie der prominente Abgeordnete Saleh al Mutlak, der vor einigen Wochen ein neues Wahlbündnis gründete. Regierungschef Nuri al Maliki dagegen gibt sich ungerührt. Die Entscheidungen der Kommission müssten „ohne Ausnahme” respektiert werden, erklärte er.

Der jüngste Schachzug im innerirakischen Machtgerangel ist ein Spiel mit dem Feuer. Er könnte das Land erneut destabilisieren, die Spannungen zwischen den religiösen Bevölkerungsgruppen anheizen und die Sunniten in einen Wahlboykott treiben. Seit Wochen halten sich in Bagdad hartnäckig Gerüchte, alte Seilschaften der Baathpartei und Saddam-treue Generäle planten einen Putsch. Die amerikanische Führung, die bis Ende Angust alle Kampftruppen aus dem Land abziehen will, fuhr darum in Gesprächen mit der irakischen Regierung gleich schweres Geschütz auf. Die internationale Gemeinschaft könnte sich weigern, die Wahlergebnissse anzuerkennen, falls der Rausschmiss der Kandidaten nicht rückgängig gemacht werde, ließ man ausrichten.

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