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Irakische Todesurteile: Wieder Details vom Galgen

Nach der Veröffentlichung des Videos von Saddam Hussein am Galgen gibt es neue Exekutionsschilderungen aus Bagdad. Ungeachtet internationaler Appelle sind die beiden Gefolgsleute des Ex-Diktators hingerichtet worden.

Kairo - Laut Oberstaatsanwalt Dschafar al-Mussawi stülpten die Henker im Morgengrauen Saddams Halbbruder Barsan al-Tikriti und dem ehemaligen Richter Awad al-Bandar schwarze Säcke über den Kopf. Dann wurden ihnen gleichzeitig die Stricke um den Hals gelegt. Unter beiden Galgen öffneten sich die Falltüren. Al-Bandar hing tot am Strick, "doch Barsans Körper fiel hinunter", berichtet Al-Mussawi dem Nachrichtensender Al-Arabija. "Als ein Beamter hinging, um zu sehen, was passiert war, sah er, dass Barsan auf dem Bauch lag, ohne Kopf."

Dabei müsse wohl Gott seine Finger im Spiel gehabt haben, meint der Oberstaatsanwalt, der vor Gericht die Todesstrafe für den Ex- Diktator, seinen Halbbruder und den früheren Richter gefordert hatte. Der irakische Parlamentarier Wael Abdul Latif versteigt sich gar zu der Theorie, Al-Tikriti habe dies "durch die Taten, die er begangen hat, selbst bewirkt", sei somit also selbst schuld an dieser unbeabsichtigten Enthauptung.

"Ausdruck des Willen des Volkes"

Nachdem auf dem illegal veröffentlichten Video von Saddams Hinrichtung zu hören gewesen war, wie Anhänger des radikalen Schiiten-Predigers Muktada al-Sadr, Saddam verhöhnen, ist aber nicht auszuschließen, dass einige Anhänger des alten Regimes der Regierung nun vorwerfen werden, dass hier nicht etwa Gott, sondern rachedurstige Gegner des alten Regimes am Werk waren. Wobei Rache nichts ist, wofür man sich im Irak schämen würde. Baha al-Aradschi, der für die Sadr-Bewegung im Parlament sitzt, bekennt sich offen dazu. Er nennt die Vollstreckung der Todesurteile "den Ausdruck des Willens des Volkes, dass sich an den Verbrechern rächen wollte".

Doch anders als bei Saddam, dessen Tod zumindest einige seiner Anhänger in Wut und Trauer versetzt hatte, so bewegt die Hinrichtung seiner beiden Getreuen kaum jemanden. "Wir sollten nicht lange innehalten, um über diese Ereignisse nachzudenken, denn sie gehören der Verangenheit an, die wir besser vergessen sollten, stattdessen müssen wir unser Land wieder aufbauen", meint Abdul Moneim Ali, Lehrer aus Bagdad. Der 35-jährige Iraker spricht vielen seiner Landsleute aus der Seele, die der ständigen Horrornachrichten überdrüssig sind und auf Licht am Ende des Tunnels hoffen.

100 Tote an einem "normalen" Tag

Denn an einem "normalen" Tag werden im Großraum Bagdad etwa 100 Menschen getötet. Die meisten von ihnen werden Opfer der sunnitischen Terroristen und schiitischen Todesschwadronen, die Männer, Frauen und Kinder ermorden, nur weil sie der jeweils anderen Glaubensgemeinschaft angehören. Viele Iraker besitzen deshalb inzwischen zwei Personalausweise. Schiiten besorgen sich gefälschte Dokumente mit Namen, die sunnitisch klingen, und umgekehrt. Das soll die Überlebenschancen an der nächsten illegalen Straßensperre oder bei Massenentführungen erhöhen.

Dem Rassismus, dem Rachedurst und dem religiösen Fanatismus müssen die Iraker nach dem Willen Washingtons selbst ein Ende setzen. Das meinen auch die meisten arabischen Kommentatoren. Letztere werfen den Amerikanern jedoch vor, sie hätten die Gewaltorgien zwischen den verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppen im Irak verursacht, indem sie das Land besetzt, die Sunniten von der Macht verdrängt und die verschiedenen Gruppen dann gegeneinander ausgespielt hätten. (Von Anne-Beatrice Clasmann, dpa)

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