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BND-Untersuchungsausschuss - Steinmeier und Fischer

© dpa

Irakkrieg: Nachrichten aus dem Keller

Haben BND-Agenten den Irakkrieg beeinflusst? Außenminister Frank-Walter Steinmeier findet schon die Idee absurd.

Von Matthias Meisner

Berlin – Der Schokoladenweihnachtsmann auf seinem Vernehmungstisch hilft nicht, Frank-Walter Steinmeier in friedvolle Stimmung zu versetzen. „Den abzuholen, hätten Sie mich nicht extra einladen müssen“, sagt der Außenminister barsch, als ihn der CDU-Politiker Siegfried Kauder, Chef des BND-Untersuchungsausschusses, auf das kleine Geschenk hinweist. Wie der Auftritt des Außenministers und SPD-Kanzlerkandidaten begann, sollte wegweisend sein für den Verlauf der fünfstündigen Vernehmung am Donnerstagnachmittag.

Abwechselnd für „aberwitzig“, „unhaltbar“, „skurril“ oder auch schlicht „ärgerlich“ hält Steinmeier alle Vorwürfe, nach denen sich aus dem Einsatz von zwei Agenten des Bundesnachrichtendienstes (BND) während des Irakkriegs eine deutsche Kriegsbeteiligung ableiten lassen soll. Schon beim Eintreffen im Bundestag diktiert Steinmeier Journalisten: „Wir haben Kurs gehalten. Kein deutscher Soldat hat sich an diesem Krieg beteiligt.“

Vor dem Ausschuss gibt Steinmeier allerdings zu, dass Informationen des BND an die USA weitergegeben worden und in das militärische und geheimdienstliche Lagebild der US-Truppen eingeflossen seien. „Wir haben nie geglaubt, dass der amerikanische Nachrichtendienst die Meldungen der beiden BND-Agenten in sein Poesiealbum kleben würde“, sagt er. Kernpunkt seines Vortrags aber ist: Die klare Weisung an den BND, keine operativen Kampfhandlungen zu unterstützen, sei eingehalten worden. Geradezu „irrwitzig“, so der Außenminister, sei der Gedanke, zwei BND-Agenten, die aus Sicherheitsgründen meist vom Keller der französischen Botschaft in Bagdad aus agierten, hätten „den Gang der Dinge entscheidend beeinflussen können“.

Für Steinmeier scheint das alles nur noch Wahlkampfgeplänkel zu sein. Auf Details mag er sich deshalb auch im Verlauf der Zeugenvernehmung nicht einlassen. Als ihm der Ausschusschef von der CDU ein als vertraulich gekennzeichnetes Dokument zur Weitergabe einer Meldung an US-Geheimdienstler vorlegt, wird der SPD-Politiker sauer: „Was soll das? Wollen Sie jetzt mit mir die Einzeldaten durchgehen?“ Union und Opposition wollen das sehr wohl, doch Steinmeier zieht sich auf sein Nichtwissen zurück: „Als Chef des Bundeskanzleramtes war ich weder Sachbearbeiter beim BND noch militärischer Experte.“ Einzelinformationen habe er nicht gekannt, er kenne sie auch heute nicht.

Ganz ähnlich geht er auch mit allen Fragen nach dem Interview des ehemaligen US-Generals James Marks im neuen „Spiegel“ um. Der Amerikaner hatte die Informationen der beiden BND-Agenten als „extrem wichtig und wertvoll“ bezeichnet. „Fragwürdig“ findet es Steinmeier, wie hier Militärs zu „Kronzeugen“ gegen Deutschlands „absolut richtige und weitsichtige Politik“ im Irakkonflikt gemacht würden. Er jedenfalls habe seit 2003 bei vielen Gesprächen in den USA nicht einen getroffen, der sich für deutsche Hilfe im Krieg bedankt habe.

Schon vor Steinmeiers Befragung hat sich der ehemalige Außenminister Joschka Fischer (Grüne) am Vormittag fast drei Stunden lang sehr ähnlichen Fragen stellen müssen. Auch er verteidigt den Einsatz der beiden BND-Männer in Bagdad, will aber zu Einzelheiten nichts sagen: „Mit internen operativen Fragen des BND war ich nicht vertraut.“ Und was sagt er zu General Marks? „Eine tote publizistische Flugente.“ Gestritten werde jetzt um eine „Nebensächlichkeit“, die rot-grüne Bundesregierung habe „alles richtig gemacht“.

Fischer bescheinigt Steinmeier, „einen hervorragenden Job“ gemacht zu haben – der alte Außenminister will keinesfalls als derjenige dastehen, der dem neuen den Schwarzen Peter zuschiebt. Während der Mittagspause begegnen sich die beiden Politiker vor dem Sitzungsgebäude, Fischer trägt sein Tütchen mit dem Nikolaus. Steinmeier klopft seinem Amtsvorgänger anerkennend auf die Schulter. Offenbar ist er dankbar dafür, dass die Vernehmung Fischers „nichts Neues erbracht“ (Grünen-Obmann Hans-Christian Ströbele) hat.

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