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Iran: Alte Rivalitäten

Dramatische Zuspitzung des Machtkampfes in der politischen Führung: Rafsandschani versus Chamenei.

Im Iran ist selten etwas so, wie es auf den ersten Blick scheint. Es geht nicht in erster Linie um Präsident Mahmud Ahmadinedschad, sondern hinter den Kulissen tobt ein Machtkampf zwischen dessen Mentor Ali Chamenei, dem Obersten Religionsführer, und Ali Akbar Haschemi Rafsandschani, dem mächtigen Ex-Präsidenten. Rafsandschani leitet heute den Expertenrat, der den Obersten Religionsführer einsetzt, aber notfalls auch seines Amtes entheben kann.

Dabei geht es neben persönlichen Rivalitäten um unterschiedliche Auslegungen der Islamischen Republik: Chamenei will starr an revolutionären Idealen festhalten und nimmt eine Militarisierung in Kauf, der Geistliche und Geschäftsmann Rafsandschani plädiert für eine pragmatischere Politik und sanfte Modernisierung und vertritt seit langem eine Politik der Öffnung gen USA. Damit will er aber den Erhalt des Systems sichern, in dem er politisch und wirtschaftlich eine entscheidende Rolle spielt.

Beobachter vermuten, dass Chamenei und die Hardliner um Ahmadinedschad gezielt versucht hätten, Rafsandschani und die Reformer zu diskreditieren. Drei Tage vor der Wahl wurde der offene Machtkampf deutlich: Rafsandschani hat sich in einer äußerst ungewöhnlichen Geste in einem offenen Brief beim „alten Kameraden“ Chamenei beschwert, dass dessen Protegé Ahmadinedschad ihn im Fernsehen als „korrupt“ bezeichnet hatte und ihm vorwarf, er habe seine Familie während seiner Präsidentschaft zu „Milliardären“ gemacht. Das weiß zwar jeder in Iran, aber Rafsandschani hat den Angriff zu Recht als Abrechnung mit der Garde der Revolutionäre der ersten Stunde erkannt, die ohne Chameneis Zustimmung so nicht möglich gewesen wäre.

Rafsandschani konterte, die „Glaubwürdigkeit des Systems“ sei durch solche Verunglimpfung selbst von Vätern der Revolution infrage gestellt. Es folgt die Drohung in Form eines poetischen Bildes: „Man kann eine kleine Quelle mit nur einer Schaufel umleiten, aber wenn das Wasser mehr wird, kann keine Kraft der Erde es mehr aufhalten.“ Nach Ansicht des Iranexperten Walter Posch von der Landesverteidigungsakademie in Wien ist deutlich, dass sich Rafsandschani um den Fortbestand der Islamischen Republik sorgt.

Die anhaltenden Unruhen nutzt Rafsandschani Gerüchten zufolge, um im Qom, dem theologischen Zentrum des Landes, auszuloten, wie viele Geistliche eventuell einer Sondersitzung des Expertenrats zustimmen würden. Bisher gilt es allerdings als unwahrscheinlich, dass Rafsandschani, der in der Bevölkerung ausgesprochen unbeliebt ist, wirklich diesen Schritt wagen würde.

Die Eskalation des Wettstreits der beiden mächtigsten Männer Irans hat eine lange Vorgeschichte: Rafsandschani hatte einst geholfen, Chamenei durchzusetzen, den Chomeini sich als seinen Nachfolger gewünscht hatte. Während der Präsidentschaft Rafsandschanis von 1989 bis 1997 arbeiteten beide in einem Zweckbündnis eng zusammen, vor allem im Kampf gegen die Linksislamisten, die einen wirtschaftlichen Staatsdirigismus forderten. Lange stand Chamenei im Schatten Rafsandschanis, doch als dessen Stern sank, weil er keine wirtschaftliche Verbesserung brachte und tief in Korruption verstrickt war, wandte sich Chamenei ab. Rafsandschani verlor 2005 die Wahl gegen Ahmadinedschad, konnte aber als Leiter des Expertenrates ein politisches Comeback feiern.

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