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Iran: Blogs in Geiselhaft

Iran: Regimegegner umgehen Zensurversuche im Netz.

Das iranische Außenministerium hat am Mittwoch angekündigt, die „Feinde der iranischen nationalen Einheit“ „schachmatt“ setzen zu wollen – und meint damit die ausländischen Journalisten, die bereits seit Dienstag von der Regierung zum „Nichtstun“ in ihren Teheraner Büros und Hotels verdonnert sind. Doch andere Informationsquellen sind für die iranischen Zensoren schwerer zu kontrollieren: Facebook, Twitter, Youtube sowie unzählige Blogs sind die mächtigen Waffen der jungen iranischen Protestbewegung.

Über die Kommunikationskanäle des Web 2.0 wird die Weltöffentlichkeit häppchenweise mit neuen Informationen aus dem Iran gefüttert. Staatliche Zensurversuche blieben bisher weitgehend erfolglos, der Nachrichtenstrom trocknet deshalb trotz des verhängten Arbeitsverbots für Journalisten nicht aus. Beispiel Blogs: Auf „Revolutionary Road“ gibt sich Saeed Valadbaygi hautnah am aktuellen Geschehen. Händler auf dem Teheraner Basar seien wegen der Erschießung von Protestanten in Streik getreten. An der Isfahan Universität hätten Sicherheitskräfte Studenten angegriffen.

Weniger authentisch, aber objektiver präsentieren sich Journalisten-Blogs wie tehranbureau.com. Ein weltumspannendes Korrespondentennetz liefert Hintergrundberichte, über einen eigenen Twitter-Kanal kommen ständig neue Kurzmeldungen aus dem iranischen Landesinnern. Eine detaillierte Linkliste der vielfältigen englischsprachigen Bloglandschaft bietet iranianblogs.com. Auffällig ist, das viele der dort aufgeführten iranischen Seiten zurzeit nicht erreichbar sind. „Mein Blog wird von Fremden als Geisel gehalten!“, schreibt einer der Autoren in einem letzten Eintrag. Dabei ließen sich die Seitensperrungen einfach umgehen, erklärt der Netzaktivist Mehdi Moseni, der den persischsprachigen Blog jomhour.org gestaltet. „Man braucht kein IT-Spezialist zu sein, um der Zensur zu entgehen. Entweder man richtet einen neuen Blog ein oder umgeht die Sperrung des alten mithilfe eines Proxy-Servers.“

Wie man diese virtuellen Umwege findet und nutzt, sei in sogenannten „Instruction-Blogs“ für jedermann nachlesbar. Inzwischen sei ein regelrechter „Cyberwar“ ausgebrochen, seit die Protestbewegung Hack-Attacken gegen fundamentalistische und staatliche Websites unternähme, so Moseni. Präsident Mahmud Ahmadinedschad jedenfalls scheint das Internet längst leid zu sein: Sein offizieller Blog ist seit Dezember 2007 nicht mehr aktualisiert worden.

Adrian Pickshaus

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