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Eine iranische Studentin bei einer Demonstration gegen die Regierung von Bahrain Ende April in Teheran.

© Reuters

Iran: Vorbereitungen auf eine neue Zeit

Der Iran ist verstört: Die arabischen Aufstände bringen das Machtgefüge der Region ins Wanken. Vom Triumphgehabe eines Mahmud Ahmadinedschad könnte bald nicht mehr viel übrig sein.

Teheran hat es die Sprache verschlagen. Seit zwei Monaten wankt in Syrien das Regime des arabischen Hauptverbündeten. Der befreundeten Hisbollah im Libanon stehen verheerende Enthüllungen durch den Hariri-Sondergerichtshof in Den Haag ins Haus. Und die Hamas zeigt sich, getrieben durch den drohenden Verlust ihres syrischen Schutzpatrons, im innerpalästinensischen Bruderzwist plötzlich diplomatisch. Vor gut einem halben Jahr hatte sich Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad noch bei seinem Besuch im Südlibanon feiern lassen als der Mann, dessen Macht jetzt bis vor die Haustüre Israels reicht. Engster Verbündeter des „Frontstaates Syrien“, Finanzier von Hisbollah und Hamas, der Iraner trat auf wie einer, dem in der Region die politische Zukunft gehört.

Von diesem Triumphgehabe könnte bald nicht mehr viel übrig sein. Syriens Regime lässt erbarmungslos auf seine Bürger schießen. Ob es sich an der Macht halten kann, weiß heute niemand. „Wenn Syrien demokratisch wird, verliert der Iran seine Marionette“, spottete bereits die Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi. Syrien sei ein souveräner Staat und könne seine Probleme selbst lösen, hieß es dagegen kleinlaut aus dem Munde Ahmadinedschads. Trotzdem schickte er eilends „Berater“ nach Damaskus, auf deren Konto vor allem die seit drei Wochen laufenden Massenverhaftungen gehen. Mehr als 8000 Regimekritiker sitzen inzwischen hinter Gittern. „Wenn du jemanden verhaftest, folterst und nach einer Woche freilässt, schüchterst du 20 weitere ein, weiter auf die Straße zu gehen“, beschreibt ein Aktivist diese Strategie der Unterdrückung, die Irans Führung mit Erfolg gegen die grüne Bewegung einsetzte.

Zu Beginn des arabischen Frühlings hatte sich die Islamische Republik zunächst als herrschende Weisheit zurechtgelegt, nur westliche Marionettenregime würden von ihren Völkern attackiert. „Die Vorgänge in Tunesien und Ägypten lassen die Alarmglocken schrillen für despotische Führer, die viele Jahre auf ihren Völkern herumgetrampelt sind und deren berechtigte Forderungen ignoriert haben“, trompetete damals Parlamentspräsident Ali Laridschani. Gleichzeitig verbot das Regime am 11. Februar, dem Tag des Mubarak-Sturzes, eine Demonstration der grünen Opposition, deren Forderungen sich von denen arabischer Facebook-Aktivisten bekanntlich nicht unterscheiden. Um die eigene Jugend nicht weiter zu provozieren, äußert sich Iran seither nur noch sehr sporadisch, etwa im Falle von Bahrain, wo es das brutale Vorgehen gegen die überwiegend schiitischen Demonstranten kritisierte.

Hinter den Kulissen allerdings sucht die Islamische Republik bereits nach Alternativen für eine Zukunft ohne Assads Syrien. So reiste Außenminister Ali Akbar Salehi dieser Tage in die Vereinigten Arabischen Emirate, um das sehr kühle Verhältnis wieder anzuwärmen. Mit Kairo will Teheran erstmals seit 1979 wieder Botschafter austauschen. Laut denken die beiden bevölkerungsreichsten Staaten der Region nach 30 Jahren Funkstille über eine neue gemeinsame Achse nach. Irans Außenminister lobte das „große Potenzial in beiden Ländern“, auch könnten Ägyptens gute Beziehungen zu Europa und den USA, so sein Kalkül, Teheran in Zukunft nützlich sein. Im Gegenzug zeigt sich die Führung im postrevolutionären Kairo entschlossen, Iran schon jetzt einen ersten außenpolitischen Preis abzuverlangen. Ägypten will sein Verhältnis zur Hamas verbessern, eine dauerhafte Entspannung zwischen den beiden palästinensischen Lagern erreichen, vielleicht sogar die Exilführung von Damaskus an den Nil locken. Das geht nur, wenn die Hamas sich weniger militant gebärdet und Teheran aufhört, die Zwietracht im palästinensischen Lager weiter nach Kräften zu schüren. Demonstrativ pries daher Irans Außenminister Salehi den palästinensischen Versöhnungsvertrag als einen „Triumph für das große ägyptische Volk“. Auf dem Treffen der blockfreien Staaten Ende Mai in Indonesien wollen die Chefdiplomaten beider Staaten erstmals ausführlich miteinander reden.

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