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Die britische Fregatte HMS Montrose soll Handelsschiffe im Golf schützen.

© AFP PHOTO / CROWN COPYRIGHT 2019

Update

Iran warnt Europa vor Marinemission: Zwischen Tankern, Drohnen und der Bombe

Die deutsche Politik diskutiert über europäischen Schutz für Handelsschiffe. Der Iran sähe darin ein „feindliches Signal“. Ein Krisentreffen läuft nicht gut.

Der Iran hat Europa vor der Entsendung einer Marineflotte in die Golf-Region gewarnt – und hat zugleich den Gesprächsfaden im Streit über sein Atomprogramm wieder aufgenommen. Ein Regierungssprecher in Teheran sprach am Sonntag mit Blick auf eine europäische Flotte im Golf von einem „feindlichen Signal“. Laut Präsident Hassan Ruhani wäre die Präsenz ausländischer Truppen in der Region ein „Hauptgrund für Spannungen“.

Nach der Festsetzung eines britischen Öltankers in der Straße von Hormus strebt London einen europäischen Marineeinsatz auf der für Öltransporte wichtigen Route an, um die Handelsschifffahrt zu sichern. Frankreich, Italien und Dänemark haben ihre Unterstützung signalisiert. Der Iran sieht sich selbst als Wächter über die Schifffahrt im Golf und in der engen Straße von Hormus, durch die rund 20 Prozent des auf der Welt gehandelten Öls transportiert werden.

Die Bundesregierung hat sich bislang zurückhaltend geäußert, auch wenn die Diskussion darüber im politischen Berlin zusehends an Fahrt gewinnt. „Das Verhalten des Irans verlangt eine europäische Antwort“, sagte der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen der „B.Z. am Sonntag“. Der Iran habe die freie Schifffahrt angegriffen, die „Grundlage des freien Handels, des Exports und damit unseres Wohlstands“ sei. Grundsätzlich positiv äußerte sich auch der Obmann der Union im Auswärtigen Ausschuss, Roderich Kiesewetter (CDU). Er beschränkte dies allerdings auf eine reine Beobachtungsmission, für die Deutschland „Aufklärungsflugzeuge und Schiffe bereitstellen“ könne.

Ablehnend äußerten sich dagegen Politiker von SPD, Grünen und Linken. Der außenpolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Nils Schmid, warnte davor, in einen militärischen Konflikt hineingezogen zu werden, wenn „Amerika beschließen sollte, die Lage eskalieren zu lassen“. SPD-Vize Ralf Stegner sagte dem Blatt, eine Beteiligung wäre nur bei einem internationalen Mandat für eine friedenserhaltende Mission „grundsätzlich erwägenswert“.

Klar gegen einen Einsatz ohne internationales Mandat wandte sich Grünen-Chefin Annalena Baerbock. Wenn es eine Beobachtermission geben solle, könne dies nur im Rahmen der gemeinsamen Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik sein, sagte Baerbock am Sonntag im ARD-„Sommerinterview“. Vorrang müssten aber Deeskalationsmaßnahmen haben. Die Linken-Politikerin Sevim Dagdelen wertete einen möglichen Bundeswehr-Einsatz ohne internationales Mandat als Bruch des Grundgesetzes. „Die Bundesregierung muss dem gefährlichen Abenteurertum Großbritanniens im Persischen Golf eine klare Absage erteilen“, forderte sie in Berlin.

Gegen zu viel deutsche Zurückhaltung wandte sich der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger. „Kaum ein Land hängt von der Freiheit der internationalen Schifffahrt so stark ab wie der Exportweltmeister Deutschland“, sagte er der „Welt am Sonntag“. Die Bundesrepublik dürfe deshalb „nicht von der Reservebank aus zuschauen“, wenn eine Schutz-Mission am Golf diskutiert werde.

Iran will Schwerwasser-Reaktor wieder hochfahren

Unterdessen wurde bekannt, dass die Regierung in Teheran im Streit über sein Atom-Programm einen Schwerwasser-Reaktor wieder hochfahren will. Der Chef der nationalen Atomenergiebehörde, Ali Akbar Salehi, habe den Neustart der Anlage in Arak bei einem Treffen mit Parlamentsabgeordneten angekündigt, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Isna unter Berufung auf Teilnehmer. In Schwerwasser-Reaktoren wie dem in Arak kann waffenfähiges Plutonium produziert werden. Anfang des Monats hatte Teheran weitere Schritte wie etwa eine Ausweitung der Urananreicherung und den Neustart des Reaktors in Arak ab dem 7. Juli angedroht, sollten die europäischen Vertragsstaaten nichts zum Schutz des Handels mit dem Iran vor den neuen US-Sanktion tun.

Das Krisentreffen zur Rettung des internationalen Atomabkommens mit dem Iran am Sonntag in Wien blieb ohne greifbare Ergebnisse. Der iranische Vize-Außenminister und Delegationsleiter Abbas Araktschi sprach nach zweistündigen Beratungen zwar von „guten“ Gesprächen, die bald auf Minister-Ebene fortgesetzt werden sollen. Dennoch will die iranische Regierung vorerst weiter gegen die Vorgaben des Vertrages aus dem Jahr 2015 verstoßen.

Deutschland, Frankreich und Großbritannien – genannt die „E3“ – wollen das Atomabkommen trotz des Ausstiegs der USA erhalten und einen iranisch-amerikanischen Krieg verhindern. Deshalb dringen sie unter Führung Frankreichs auf eine Lösung. Sie hatten das Wiener Treffen mit dem Iran und den beiden weiteren verbliebenen Vertragsstaaten China und Russland beantragt, um nach Auswegen zu suchen. Als Reaktion auf die US-Wirtschaftssanktionen hat der Iran absichtlich Grenzwerte des Abkommens bei der Urananreicherung verletzt. Die Iraner hatten die Spannungen zuletzt weiter angefacht, indem sie einen britischen Öltanker beschlagnahmten. Konkrete Vereinbarungen zur Entschärfung der Lage wurden in Wien nicht getroffen.

Regierung in Teheran schimpft schon vor dem Krisentreffen

Das Krisentreffen im prächtigen Wiener Palais Coburg hatte am Sonntag noch nicht einmal angefangen, da gab es schon Ärger. Allen Beteiligten war ohnehin klar, dass die Beratungen von Iranern, Europäern, Russen und Chinesen über die Zukunft des Atomabkommens von 2015 schwierig werden würden. Doch noch bevor die Delegationen Platz am Konferenztisch im Palais genommen hatten, machte der Iran seinem Unmut Luft. In Teheran schimpfte die Regierung der Islamischen Republik, der Plan der Europäer für den Einsatz von Kriegsschiffen zum Geleitschutz für Öltanker im Persischen Golf sei eine „feindselige Botschaft“.

Trotzdem äußerten sich die Unterhändler nach rund zweistündigen Gesprächen im Palais am Nachmittag vorsichtig positiv – angesichts der spannungsgeladenen Ausgangslage war das schon ein kleiner Erfolg. Konkrete Beschlüsse wurden in Wien allerdings nicht gefasst. Ob der Atomvertrag die derzeitigen Spannungen überleben wird, ist nach wie vor unsicher.

Im Mai hatte der Iran angekündigt, er werde absichtlich gegen Obergrenzen des Abkommens verstoßen und sich schrittweise immer weiter von den Vorgaben der Vereinbarung entfernen. Inzwischen läuft im Iran eine höhere Urananreicherung als vor drei Jahren ausgemacht; zudem hat das Land größere Uran-Vorräte angelegt als vereinbart.

Die Sorge, dass der Iran trotz aller gegenteiliger Versicherungen nach der Atombombe greifen könnte, wächst deshalb wieder. Die USA haben deutlich gemacht, dass sie diese Entwicklung wenn nötig militärisch stoppen wollen. Amerikanische und iranische Streitkräfte am Golf haben nach eigenen Angaben mindestens eine Drohne des jeweiligen Kontrahenten abgeschossen.

Nicht zuletzt wegen der Kriegsgefahr war das Wiener Treffen ein wichtiges Forum zum Meinungsaustausch. Die nach dem Ausstieg der USA im vergangenen Jahr verbliebenen Partner des Atom-Deals – China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Russland – sprachen mit dem Iran darüber, wie das Abkommen gerettet werden kann.

Mit den Vertragsverletzungen protestiert Teheran gegen die amerikanischen Sanktionen. Doch der Protest droht, das Abkommen völlig scheitern zu lassen. Zudem hat der Tanker-Poker zwischen dem Iran und Großbritannien die Zukunft des Atomvertrags noch unsicherer gemacht. Die deutsche Diplomatin Helga Schmid, die als Generalsekretärin des EU-Außenamtes die Wiener Konferenz leitete, hatte eine schwere Aufgabe.

Wie schwer, das machte der iranische Delegationsleiter Abbas Araktschi gleich nach seiner Ankunft in Wien deutlich. Araktschi, iranischer Vize-Außenminister und Chefunterhändler der Iraner bei den Gesprächen über das 2015er Abkommen, stellte eine direkte Verbindung zwischen der Tanker-Krise und dem Schicksal des Atomabkommens her.

"Europa kann den Konflikt nicht lösen"

Dass die britischen Behörden in Gibraltar vor wenigen Wochen einen iranischen Öltanker festsetzten, sei ein Verstoß gegen den Atomvertrag gewesen, sagte Araktschi. Die an dem Vertrag beteiligten Staaten dürften iranische Ölexporte nicht verhindern. Nach britischer Darstellung sollte der iranische Tanker sein Öl nach Syrien bringen, was eine Verletzung von EU-Sanktionen gegen Damaskus wäre. Der Iran sprach von einer illegalen Aktion der Briten und beschlagnahmte seinerseits einen britischen Tanker im Persischen Golf.

Er könne nicht behaupten, dass „alles geklärt“ worden sei, sagte Araktschi nach den Wiener Beratungen. Es seien aber viele „Verpflichtungen“ ausgesprochen worden, fügte er ohne weitere Erläuterung hinzu. „Die Atmosphäre war konstruktiv, die Diskussionen waren gut.“ Auch China erklärte, alle in Wien vertretenen Parteien wollten den Atomvertrag retten.

Deutschland, Frankreich und Großbritannien haben sich an die Spitze dieser Initiative gesetzt. Frankreich sei als Vermittler gut geeignet, sagte Nahost-Experte Ali Fathollah-Nejad vom Doha-Zentrum der Denkfabrik Brookings in Istanbul: Paris wolle zwar den Atomvertrag retten, teile aber auch amerikanische Bedenken wegen des iranischen Raketenprogramms und der aggressiven iranischen Außenpolitik. Macron und Trump sollen auch persönlich gut auskommen.

Trotzdem bleibt die iranische Regierung auch nach dem Wiener Treffen bei ihrem Vorhaben, die Grenzen des Atomabkommens immer weiter hinter sich zu lassen. Das werde so weitergehen, bis den iranischen Interessen Rechnung getragen sei, sagte Araktschi. Europa könne zwar vermitteln, aber den Konflikt nicht lösen, sagte Fathollah-Nejad dazu: „Nur die USA und der Iran entscheiden, ob die Vermittlungsbemühungen am Ende Erfolg haben oder nicht.“ (mit Reuters, AFP)

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