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© dpa

Iran: Welchen Einfluss hat Mussawis Frau?

Unter den Demonstranten im Iran sind auch sehr viele Frauen. Vor allem die Ehefrau des Oppositionellen Mir-Hossein Mussawi, Zahra Rahnavard, spielt dabei eine wichtige Rolle. Welchen Einfluss hat sie?

Die Bilder gingen um die Welt. Mir-Hossein Mussawi inmitten der Menschenmenge auf einem Autodach, winkend und mit einem Mikrofon in der Hand. Und neben ihm eine Frau in schwarzem Schador und blumenbesticktem Kopftuch, die sich eine rote Rose vor die Lippen hielt. Zahra Rahnavard, die Frau des Reformkandidaten, Malerin und Bildhauerin, promovierte Politologin und für viele iranische Wählerinnen der eigentliche Star der „grünen Bewegung“.

So wie sie auf den Wahlveranstaltungen redete, traute sich das ihr Mann nicht. „Das ist die mieseste und dreckigste männliche Bevormundung von Frauen“, geißelte sie das rabiate Vorgehen der Sittenpolizei gegen sogenannte unislamische Kleidung. Frauen würden im Iran systematisch erniedrigt und behandelt wie Bürger zweiter Klasse. „Ihr seid hier, weil ihr die Nase voll habt von der Diktatur. Ihr seid hier, weil ihr Fanatismus hasst. Ihr seid hier, weil ihr von einem freien Iran und friedlichen Beziehungen mit dem Rest der Welt träumt“, rief sie. Auch frage sie sich, warum der Wächterrat noch nie einer Frau die Präsidentschaftskandidatur erlaubt habe. Die Menschen applaudierten und skandierten: „Wir lieben dich, Rahnavard!“ Ob jung oder alt, ob mit traditionellen Schador oder modischem Kopftuch plus Chanel-Sonnenbrille – vor allem Frauen setzen ihre Hoffnungen auf Mussawi und seine wortgewaltige „First Lady“.

Der Frust ist enorm, zehntausende junge Leute haben das in den vergangenen vier Jahren am eigenen Leibe erfahren. Wer als unverheiratetes Paar Hand in Hand spazieren geht, wer mit seinem Freund auf dem Moped fährt, wer auf einer Party beim gemeinsamen Tanzen erwischt wird oder in einem Keller Rockmusik macht, wer sein Kopftuch zu locker trägt oder etwas Dekolleté zeigt, landete schnell in den Verhörzimmern von Basidsch-Milizen oder Revolutionären Garden. 24 Stunden in Gewahrsam der Moralpolizei von Religionsführer Ali Chamenei und Präsident Mahmud Ahmadinedschad waren meist die Folge. Oft wurden auch noch die verängstigten und geschockten Eltern einbestellt, mussten eine Strafe zahlen und ein vorgedrucktes Formular unterschreiben, mit dem sie sich im Namen ihrer Kinder verpflichten, dass so etwas nie wieder vorkommt.

Iranische Frauen haben zwar bei dem Sturz des Schahs 1979 eine zentrale Rolle gespielt, eine gleichberechtigte Stellung in der Gesellschaft sowie eine echte Beteiligung an der Macht jedoch haben sie nie bekommen. Eine Handvoll Abgeordnetensitze und zwei Kabinettsposten – mehr ist in 30 Jahren Islamischer Republik nicht herausgesprungen. Dabei ist der Iran im ganzen Mittleren Osten die Nation mit der höchsten Frauenbildung. 60 Prozent aller Studenten sind weiblich, hochbegabt, bestens qualifiziert und doch ohne Aufstiegschancen. So haben die meisten Iraner auch keine Ahnung, wie die Frauen ihrer Spitzenpolitiker aussehen, geschweige denn wie sie heißen. Das gilt für die Frau von Ahmadinedschad ebenso wie für die Frau des Reformpräsidenten Mohammed Chatami. Im Westen ist ein gemeinsam auftretendes Politikerpaar in Wahlkämpfen ein vertrauter Anblick. Im traditionellen Iran jedoch betrat Zahra Rahnavard damit Neuland. „Mussawi ist gut zu seiner Frau und das ist mir wichtig“, sagt Mariam Fathali, die von einer Karriere im Judo träumt. Wie die 22-Jährige hüten viele junge Leute das eine Wahlplakat, das Rahnavard Hand in Hand mit ihrem Mann zeigt, wie einen kostbaren Schatz (siehe Bild). „Das habe ich noch nie bei einem Politiker gesehen“, sagt sie. „Und er hält ihre Hand mit Liebe und Respekt und nicht, als sei sie sein Besitz.“

Das Paar lernte sich 1969 auf einer Kunstausstellung kennen. Als der Druck des Schahs auf die Regimegegner immer brutaler wurde, floh Rahnavard 1976 mit zwei Töchtern in die USA. Dort lebte sie drei Jahre und kehrte 1979 kurz vor der Revolution zurück. Wie viele andere Anhänger des Revolutionsführers Ajatollah Chomeini war sie in jungen Jahren geprägt von dem Denker Ali Schariati, einem in Paris ausgebildeten iranischen Philosophen. Von 1997 bis 2005 war die Autorin von 15 Büchern Beraterin von Reformpräsident Chatami, gleichzeitig Dekanin an der Al-Zahra-Frauenuniversität in Teheran. Ein Jahr nach der Machtübernahme von Ahmadinedschad wurde sie aus dem Amt gedrängt und widmete sich wieder ihrer Kunst. Der vorgeschobene Grund: Sie hatte Shirin Ebadi, die iranische Menschenrechtlerin und Friedensnobelpreisträgerin, zu einem Vortrag auf den Campus eingeladen.

Im Wahlkampf ihres Mannes war es die 64-jährige Akademikerin, die die frauenpolitischen Akzente setzte. Jede Frau solle selbst entscheiden können, ob sie ein Kopftuch tragen wolle oder nicht. Ihr Mann werde, falls gewählt, Frauen zu Ministerinnen und zu Botschafterinnen ernennen, versprach sie. Und er werde alle Frauenrechtlerinnen sofort aus dem Gefängnis entlassen. Allein in den vergangenen beiden Jahren waren mehr als 50 Aktivistinnen festgenommen und zu Haftstrafen verurteilt worden, nur weil sie für die Kampagne „Eine Million Unterschriften“ geworben haben. Die Bewegung kämpft für ein Ende der rechtlichen Diskriminierung iranischer Frauen.

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