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Politik: Irans Reformer stellen Ultimatum

Chatami fordert von Konservativen „akzeptable Lösung“ bis heute / Religionsführer gegen Verschiebung der Wahl

Amman/Teheran. Die iranische Reformregierung hat den konservativen Hardlinern ein Ultimatum bis Donnerstagnachmittag gestellt, um eine „akzeptable" Lösung für die politische Krise im Vorfeld der Parlamentswahlen am 20. Februar zu finden. Dies sagte Regierungssprecher Abdullah Ramezanzadeh am Mittwoch, nachdem sich Staatspräsident Mohammed Chatami und Parlamentssprecher Mehdi Karoubi am Dienstag mit dem obersten Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei getroffen hatten. In dem Gespräch sprach sich Chamenei gegen eine Verschiebung der Wahlen aus. Sie sollen am 20. Februar stattfinden. Damit stellte sich Chamenei erneut gegen die Reformer in der Regierung, die für eine Verschiebung der Wahl plädiert hatten. Allerdings ordnete er an, die Wahllisten ein zweites Mal prüfen zu lassen. Das wurde als erstes Entgegenkommen gewertet.

Große Teile der Reformbewegung fordern die Verschiebung des Urnengangs, falls nicht ein Großteil der etwa 2500 reformorientierten Kandidaten, die der konservative Wächterrat von der Wahl ausgeschlossen hatte, wieder zugelassen wird. Zuvor hatten die Gouverneure aller iranischen Provinzen sowie das von Reformern geführte Innenministerium erklärt, sie würden die Wahlen nicht organisieren. Daraufhin hatte das Justizministerium, das sich in Hand der konservativen Kleriker befindet, angekündigt, diese Aufgabe zu übernehmen. Religionsführer Chamenei warnte am Mittwoch, dass Rücktritte von Beamten, die damit die Durchführung der Wahlen verhindern wollen, gegen das Gesetz und „vom Islam verboten" seien.

Was nach Ablauf des Ultimatums geschehen soll, sagte der Regierungssprecher nicht. Das ist wenig überraschend, denn Parlament und Staatspräsident sind in dem dualen iranischen Regierungssystem machtlos. Sie könnten zu einem Wahlboykott aufrufen. Einige Studentenorganisationen haben zu Demonstrationen aufgerufen, die allerdings von den Behörden verboten wurden. Nachdem im vergangenen Sommer Studentendemonstrationen gewaltsam niedergeschlagen wurden, ist es fraglich, ob die Studenten es auf eine Auseinandersetzung mit den Sicherheitskräften ankommen lassen werden. Denn die Bevölkerung würde wohl kaum an der Seite der Studenten auf die Straße gehen. Das Ringen der beiden politischen Strömungen im Machtapparat wird von dem meisten Iranern derzeit apathisch ignoriert. Zu viele Menschen sind tief enttäuscht von dem gesamten politischen System, in dem die gewählten Volksvertreter sich nicht gegen nicht gewählte Instanzen durchsetzen können.

So gehen die konservativen Zirkel davon aus, dass es keinen Volksaufstand gegen ihre repressiven Maßnahmen geben wird. Gleichzeitig setzen sie auf eine zaghafte Öffnung gen Westen, um internationalen Protesten vorzubeugen. So hatte der konservative nationale Sicherheitsrat im Beisein dreier europäischer Außenminister Ende des vergangenen Jahres seine Zustimmung zu verstärkten Kontrollen der iranischen Atomindustrie gegeben. Man spielt mit dem Gedanken, eine Delegation des US-Kongresses zu empfangen. Und nach Angaben des Politologen Farshid Farzin hat der Wächterrat kürzlich einen Vertreter in europäische Hauptstädte geschickt, um dort die Ängste vor einem konservativen Wahlsieg zu zerstreuen.

Eine Studentengruppe konterte diese Charme-Offensive mit einer Anzeige in der liberalen Zeitung „Sharq", in der sie die Welt auffordert, eine aus unfreien Wahlen hervorgegangene konservative Regierung zu boykottieren.

Mit Spannung wird nun die Reaktion von Staatspräsident Chatami erwartet: Falls die Konservativen an diesem Donnerstag nicht nachgeben und er dennoch nicht zu einem Wahlboykott aufrufen sollte, wäre er in den Augen der meisten Iraner endgültig diskreditiert.

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