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Politik: Irischer Frühling

Die Sinn Fein will künftig die nordirische Polizei anerkennen – das beschloss der Parteitag in Dublin

Der politische Flügel der Irisch-Republikanischen Armee (IRA), Sinn Fein, hat einen Schlussstrich unter den Nordirlandkonflikt gezogen. Auf einem Sonderparteitag in Dublin plädierte die Parteiführung am Sonntag dafür, die britische Polizei und Justiz in Nordirland anzuerkennen. Die übergroße Mehrheit von 900 Delegierten des Sinn-Fein-Parteitages stimmte anschließend der Beteiligung an den Sicherheitsorganen einer weitgehend autonomen Region Nordirland zu.

„Wir kommen aus der IRA-Tradition, wir rangen der britischen Armee ein Unentschieden ab.“ Donnernder Applaus der rund 3000 Delegierten folgte diesen klaren Worten von Martin McGuinness, dem Chefunterhändler der Sinn-Fein-Partei und ehemaligen Kommandanten der IRA, auf dem Parteitag in den ehrwürdigen Hallen der „Royal Dublin Society“. Zusammen mit dem Parteipräsidenten, Gerry Adams, der seine IRA-Geschichte kurioserweise leugnet, rief McGuinness die Partei auf, künftig die nordirische Polizei anzuerkennen.

Die tatsächliche Unterstützung für Polizei und Justiz wird jedoch von der Bildung einer nordirischen Koalitionsregierung abhängig gemacht – und von der Übertragung der entsprechenden Regierungsvollmachten an diese einheimische Regierung. Diese Einschränkung scheint indessen taktischer Natur zu sein, denn das Zugeständnis selbst kann nach diesem Parteitag nicht mehr rückgängig gemacht werden.

McGuinness, dem die Sympathie der Delegierten im Saal sicher war, räumte ein, sein Herz sei gegen diesen Schritt, aber sein Kopf dafür. Diese Zweifel wurden von zahlreichen Rednern ausgedrückt; es kostete offensichtlich große Überwindung, dem Antrag der Parteiführung zu folgen, denn schließlich war die frühere Inkarnation der Polizei, die Royal Ulster Constabulary, der Erzfeind gewesen.

Die Kollaboration der Polizei mit protestantischen Mörderbanden war erst in der vergangenen Woche von der Ombudsfrau für die Polizei erneut bestätigt worden. Doch mehrere Redner drehten das Argument nun um: Nur die Betonköpfe in der Polizei und unbelehrbare Unionistenpolitiker wollten verhindern, dass Sinn Fein in die Polizeikommission eintrete – deshalb müsse dieser Schritt jetzt vollzogen werden. Damit wäre auch der letzte Vorwand, Sinn Fein auszugrenzen, beseitigt.

Ein ehemaliger IRA-Häftling berichtete von seinem Gewissenskonflikt. Der ergraute Mann hatte mit 17 Jahren einen Polizeibeamten ermordet. Doch jetzt plädierte er dafür, die Polizei von innen heraus zu beeinflussen. „Wir müssen ihnen Manieren beibringen“, wiederholte er eine Äußerung, die von Gerry Adams stammte.

Im eklatanten Widerspruch zu den Entwicklungen der letzten zehn Jahre behauptete die Parteiführung, sie selbst habe von Anfang an die Polizeireform ins Zentrum ihrer Verhandlungen gestellt. Tatsächlich war es die gemäßigte Katholikenpartei SDLP, die diese Auseinandersetzung geführt und weitgehend gewonnen hatte. Doch die SDLP ist inzwischen von Sinn Fein verdrängt worden. Sinn Fein ist widerstrebend pragmatisch geworden. Die Worte bleiben kämpferisch, aber dieAnerkennung des britischen Gewaltmonopols in Nordirland ist ein beispielloser Markstein.

Martin Alioth[Dublin]

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