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Politik: „Irritiert und verwundert“

Von Christian Böhme und Hans Monath Seit Tagen mahnt Außenminister Joschka Fischer, vor dem Hintergrund deutscher Geschichte dürfe die Politik in der Nahost-Debatte „nicht auf Wählermeinungen und Stimmen schielen". Weil er bedenkliche Untertöne im Streit über die Rolle Israels ausgemacht hat und weil er bei seiner USA-Reise kürzlich ständig nach dem Aufkommen eines neuen Antisemitismus in Deutschland gefragt wurde, rät er jedem Politikern zu Zurückhaltung.

Von Christian Böhme

und Hans Monath

Seit Tagen mahnt Außenminister Joschka Fischer, vor dem Hintergrund deutscher Geschichte dürfe die Politik in der Nahost-Debatte „nicht auf Wählermeinungen und Stimmen schielen". Weil er bedenkliche Untertöne im Streit über die Rolle Israels ausgemacht hat und weil er bei seiner USA-Reise kürzlich ständig nach dem Aufkommen eines neuen Antisemitismus in Deutschland gefragt wurde, rät er jedem Politikern zu Zurückhaltung. Am Montag versprach Fischer: „Das werden wir nicht zulassen, dass sich jüdische Menschen hier wieder allein gelassen fühlen.“

Doch ausgerechnet Kanzler Gerhard Schröder und die SPD haben nun dazu beigetragen, dass Juden in Deutschland sich verunsichert zeigen – mit der Einladung Martin Walsers zum gemeinsamen Räsonnieren über „Nation, Patriotismus, demokratische Kultur in Deutschland 2002“, das am Jahrestag der deutschen Kapitulation, am 8. Mai, im Willy-Brandt-Haus stattfinden soll. Der Autor ist zum Streitfall geworden, seit er vor vier Jahren bei der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels von Auschwitz als „Moralkeule“ und der „Instrumentalisierung unserer Schande“ sprach.

Nachdem bereits die Jüdische Gemeinde in Berlin protestiert hatte, reagierte am Montag auch der Zentralrat der Juden in Deutschland. „Irritiert und verwundert“ zeigte sich das Gremium. Und Michel Friedman, Vizepräsident des Zentralrats, sieht die Glaubwürdigkeit des Kanzlers beschädigt und stellt nun öffentlich die Frage: „Sollen mit dieser Veranstaltung rechtsnationale Wähler angesprochen werden?“ Das „Bündnis gegen Antisemitismus und Antizionismus“ hat eine Kundgebung kurz vor Beginn der Veranstaltung in der Nähe des Willy-Brandt-Hauses angemeldet.

Peinlich ist das für die SPD, aber für die Proteste zeigt die Partei kein Verständnis. „Miteinander sprechen heißt ja nicht, dass man miteinander übereinstimmt“, sagt Generalsekretär Franz Müntefering. Auch den Unmut über das Datum versteht er nicht: „Wir sehen in diesem Gespräch kein Problem.“ Dass die SPD noch nachgibt und die Veranstaltung absagt, gilt in Berlin als unwahrscheinlich – schließlich würde sie damit einen Fehler eingestehen. Einen Ausweg aus dem Dilemma deutet die Zentralratserklärung an, ohne sie offen auszusprechen: die Einladung eines jüdischen Gesprächsteilnehmers zu dem Termin.

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