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Auch Weihnachtsmärkte gelten als mögliches Terrorziel.

© dpa

IS, Al Qaida, Al Nusra: Wie wahrscheinlich ist ein Terroranschlag in Deutschland?

Der "Islamische Staat" hat schon mehrfach mit Anschlägen in Deutschland gedroht. Mit dem Einsatz der Bundeswehr in Syrien könnte sich die Gefahr noch vergrößern. Eine Analyse.

Von Frank Jansen

Die Angst ist bei vielen groß. Gerade jetzt, da der Bundeswehr-Einsatz gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" vom Kabinett auf den Weg gebracht worden ist, befürchtet eine große Mehrheit der Deutschen, dass die Gefahr eines Anschlags hierzulande wächst. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur rechnen 71 Prozent mit einer größeren Bedrohung, nur 18 Prozent glauben nicht daran. Doch wie wahrscheinlich ist es wirklich, dass es in Deutschland zu terroristischen Attacken kommt?

Abgesehen davon, dass Deutschland bei den großen Terrororganisationen wie der gesamte Westen als „Kreuzfahrer“ verhasst ist, erhöht sich die Gefahr in zwei zentralen Punkten. Erstens: Auch wenn sich das in der Bundesrepublik bislang wohl kaum jemand vorstellen kann, lässt sich nicht ausschließen, dass Dschihadisten des IS einen Tornado vom Himmel holen. Mit womöglich weitreichenden, grässlichen Folgen.

Im Dezember 2014 war eine jordanische F-16 über Syrien abgestürzt, der IS nahm den Piloten Muaz al Kasebeh gefangen – und verbrannte ihn Wochen später bei lebendigem Leib in einem Eisenkäfig. Die von der Terrormiliz im Februar im Internet verbreiteten Bilder schockten die Welt. Den Absturz der Maschine und das Entsetzen über die Hinrichtung des Piloten wertete der IS als Erfolg seiner kombinierten militärischen und psychologischen Kriegführung.

Die jordanische Regierung hatte zunächst angegeben, das Kampfflugzeug sei mit einer Rakete abgeschossen worden. Das behauptete auch der IS. Die Amerikaner widersprachen kurz darauf. Es ist allerdings schon lange bekannt, dass islamistische Terrororganisationen wie Al Qaida und vermutlich auch der IS über Luftabwehrraketen verfügen, die ein Kämpfer von der Schulter aus abschießen kann. Bereits im August 2014 berichtete die „Washington Post“, der IS habe offenbar solche „Manpads“ bei der Eroberung eines Stützpunkts der syrischen Luftwaffe erbeutet.

Das zweite Szenario, das Deutschland bei einer Ausweitung seiner militärischen Aktivitäten in der Konfliktregion droht, sind Racheaktionen des IS und weiterer dschihadistischer Gruppierungen. Kämpfer des IS haben bereits der Bundesrepublik wegen der Lieferung von Milan-Panzerabwehrraketen an die kurdischen Peschmerga gedroht. Außerdem erwähnte die Terrormiliz in ihrem Bekennerschreiben zu den Anschlägen in Paris im November ausdrücklich die „Kreuzfahrernation“ Deutschland.

Deutschland im Fokus

Rache für den Einsatz von Tornados könnten aber auch andere Terrorgruppen nehmen wollen. Vor allem Al Qaida. Deutsche Kampfflugzeuge würden auch von der in Syrien kämpfenden Al-Qaida-Filiale, der Al-Nusra-Front, als Angriff wahrgenommen. Die Nusra-Front hat in Syrien vielfach unter Beweis gestellt, dass sie zu verheerenden Anschlägen fähig ist. Außerdem ist Al Qaida im Bürgerkriegsgebiet mit einer weiteren Formation präsent, die als besonders gefährlich gilt.

Die Khorasan-Gruppe (der Name ist eine Bezeichnung für Afghanistan) setzt sich vor allem aus Al-Qaida-Veteranen zusammen, die von Afghanistan, Pakistan und dem Iran nach Syrien gekommen sind. Von hier aus bereiten sie nach Erkenntnissen von Nachrichtendiensten Anschläge in westlichen Ländern vor. Die Gruppe steht offenbar auch in Kontakt zum Al-Qaida-Ableger in Jemen und zu dessen berüchtigten Bombenbauer Ibrahim al Asiri.

Der Mann aus Saudi-Arabien hatte für die jemenitische Al Qaida die Sprengsätze konstruiert, die bei zwei Beinahe-Anschlägen gegen die USA gezündet werden sollten. Weihnachten 2009 konnten Passagiere einer Maschine, die Detroit anflog, gerade noch den Nigerianer Omar Faruk Abdulmuttalab überwältigen. Er hatte eine Bombe in seiner Unterwäsche versteckt und wollte sich mit ihr in die Luft sprengen.

Im Oktober 2010 scheiterte nur knapp ein Anschlag mit Asiris Sprengsätzen, die in zwei Frachtmaschinen geschmuggelt worden waren. Der Bombenbauer hatte Druckerpatronen als tödliche Waffe präpariert, sie sollten in den Maschinen über den USA explodieren. In Gefahr geriet damals auch Deutschland – eines der Flugzeuge machte einen Zwischenstopp auf dem Airport Köln-Bonn, wo das ahnungslose Personal die Paketbomben in eine andere Maschine umlud.

Die von Al Qaida ausgehende Gefahr für Europa dürfe nicht unterschätzt werden, sagt auch Guido Steinberg, der Terrorismus-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik. Steinberg sieht Al Qaida in einem Konkurrenzkampf mit dem IS. Die Terrormiliz ging aus Al Qaida hervor, doch beide Organisationen sind heute verfeindet. Vor allem Al Qaida im Jemen könnte nach Ansicht von Steinberg und Experten in den Sicherheitsbehörden in der Lage und willens sein, überall auf der Welt Anschläge zu verüben. Ein Beispiel: Der Terrorangriff vom Januar auf die Zeitschrift „Charlie Hebdo“ war offenkundig zumindest von der jemenitischen Al Qaida inspiriert. Die Attentäter bekannten sich zu der Organisation, sie selbst auch zu dem Anschlag.

Al Qaida im Jemen animiert zudem über ihre Internet-Publikation „Inspire“ auch Dschihadisten, in der Manier einsamer Wölfe anzugreifen. Und sei es nur mit einem Messer. Und es war „Inspire“, das den jungen Kosovaren Arid Uka als Vorbild präsentierte, nachdem er im März 2011 am Frankfurter Flughafen zwei US-Soldaten erschossen und zwei weitere schwer verletzt hatte.

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