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Umkämpfte nordsyrische Stadt Kobane: Der "Islamische Staat" lockt Dschihadisten aus ganz Europa

© Umit Bektas/Reuters

IS und die Gefahr für Deutschland: Union plant schärfere Gesetze gegen Islamisten

Die Union will mit schärferen Gesetzen Anschläge von Islamisten in Deutschland verhindern. Ganz oben auf der Agenda steht, die Geldquellen terroristischer Vereinigungen auszutrocknen.

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Mit einem ganzen Bündel von Gesetzesverschärfungen und anderen Maßnahmen will die Union verhindern, dass Dschihadisten Anschläge auch in Deutschland verüben. Vize-Fraktionschef Thomas Strobl verglich am Donnerstag vor Journalisten in Berlin die Bedrohung durch den islamistischen Terror mit der der Roten Armee Fraktion und der Attentäter vom 11. September 2001 - auf einen Vergleich mit dem rechtsextremistischen Terror verzichtete der CDU-Politiker. "Wir werden uns wehren", sagte er. Er versicherte, dass die Gespräche mit dem Koalitionspartner SPD über schärfere Gesetze gut vorankämen.

Zu den von ihm und dem innenpolitischen Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer (CSU), vorgestellten Initiativen gehört, die Geldquellen terroristischer Vereinigungen auszutrocknen. Dazu soll die Beweislast umgekehrt werden, wenn es um "ungewöhnlich hohe Geldsummen geht" - der Besitzer soll also nachweisen, dass er legal an Vermögenswerte gelangt ist. Ein weiterer Schwerpunkt soll darauf gelegt werden, einerseits die Ausreise gewaltbereiter Dschihadisten zu verhindern und andererseits Islamisten abzuschieben. Die Union verlangt ferner, die "Sympathiewerbung für Terrorvereinigungen" zu verbieten. Unter Strafe gestellt werden soll auch die Ausbildung in sogenannten Terror-Camps. Anders als bisher soll einer Person nicht mehr nachgewiesen werden müssen, dass sie auch wirklich einen Anschlag geplant hat. Es dürfe nicht abgewartet werden, bis in Deutschland wirklich etwas passiert sei, sagte Strobl.

Strobl spricht von "wandelnden Zeitbomben"

Mindestens 450 Männer und Frauen sind nach Informationen des Verfassungsschutzes aus der Bundesrepublik nach Syrien oder in den Irak gereist, um sich dort etwa den Terrormilizen des "Islamischen Staats" (IS) anzuschließen. Rund 150 von ihnen sind bisher zurückgekehrt. Viele von ihnen seien dort noch weiter radikalisiert worden, andere "frustriert, verwirrt oder völlig enthemmt", sagte Strobl. Der CDU-Politiker sprach von "wandelnden Zeitbomben", die für Deutschland eine "große Gefahr" seien. Europaweit gehen die Sicherheitsbehörden von rund 3000 gewaltbereiten vor allem jungen Leuten aus, die sich terroristischen Gruppen im Nahen Osten angeschlossen haben.

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Doppelstaatlern unter den Dschihadisten - ein offenbar nicht unerheblicher Anteil - soll nach den Plänen der Union die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen werden können. Allerdings werde dies nur dann geschehen, wenn sichergestellt sei, dass sie dann auch künftig genau überwacht würden, was aber etwa in der Türkei als gegeben angesehen werden könne. Auch dort gebe es "funktionierende Sicherheitsbehörden", sagte Mayer.

Die Unionspolitiker unterstützten die Pläne von Innenminister Thomas de Maizière (CDU), der vorgeschlagen hatte, Personen den Personalausweis zu entziehen, die sich auf den Weg in den Dschihad machen wollen. Bisher kann ihnen nur der Reisepass entzogen werden. Doch reicht für die Reise etwa in die Türkei der Personalausweis, von dort ist dann die Weiterreise nach Syrien relativ leicht möglich. Statt eines Personalausweises sollen die betroffenen Personen nur ein Ersatzpapier erhalten, mit dem eine Ausreise nicht möglich ist. De Maizière hat für kommenden Freitag die Innenminister der Länder zu einer Sonderkonferenz nach Berlin eingeladen, auf der die Bekämpfung des islamistischen Terrors eines der wichtigen Themen sein wird. De Maizière hatte kürzlich bereits alle Aktivitäten des IS in Deutschland verboten.

Linke: Muslime in den Kampf gegen Dschihadisten einbinden

Die Opposition im Bundestag fordert andere Schwerpunkte bei der Bekämpfung des islamistischen Terrors. "Wenn wir heute ein entschiedenes Vorgehen gegen IS-Anhänger in Deutschland einfordern, muss gleichzeitig klar sein, dass sich dies auf keinen Fall gegen den Islam als solchen oder generell gegen Muslime richtet", sagte die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke, dem Tagesspiegel. "Es ist vielmehr wichtig, muslimische Gemeinden in den Kampf gegen Dschihadisten einzubinden und ihre schon bestehenden Bemühungen zu stärken. Gewalttätige salafistische Gruppen – und das seien längst nicht alle Salafisten - müssten innerhalb der muslimischen Gemeinschaft isoliert werden.

"Repressive Maßnahmen wie das von uns begrüßte Betätigungsverbot für den IS reichen nicht aus", sagte Jelpke. "Notwendig sind auch vorbeugende Maßnahmen wie die Einrichtung von staatlich finanzierten, aber in ihrer Arbeit von Polizei und insbesondere Verfassungsschutz unabhängigen Beratungsstellen, die mit Sozialarbeitern in den besonders von salafistischer Werbetätigkeit betroffenen Stadtvierteln aktiv werden." Diese Beratungsstellen könnten als Ansprechpartner für Angehörige und Freunde von Jugendlichen, die sich den Dschihadisten anschließen, zur Verfügung stehen. Sie verwies auf Einrichtungen wie Ufuq in Berlin oder Kitab in Bremen.

Ulla Jelpke, Linke-Innenpolitikerin
Ulla Jelpke, Linke-Innenpolitikerin

© Wolfgang Kumm/dpa

"Maßnahmen gegen Dschihadisten in Deutschland sind dann glaubwürdig, wenn die Bundesregierung auch außenpolitisch eindeutiger als bislang agiert", sagte Jelpke weiter. "Sie darf zur nachweislichen Unterstützung des IS durch die türkische Regierung, zu türkischen Waffen- und Munitionslieferungen und logistischer Hilfe für die Dschihadisten nicht schweigen. Wir fordern hier endlich wirksamen Druck auf Ankara – einschließlich der Androhung von Sanktionen, wenn diese Terrorunterstützung fortgesetzt wird." Das Strafgesetzbuch und das Völkerstrafgesetz müssten konsequent gegen IS-Kämpfer angewandt werden. Die von der Union geforderten Gesetzesverschärfungen, wie etwa die Ausreisesperren in Form von besonders gekennzeichneten Personalausweisen, lehnte die Linke ab. "Die bisherigen gesetzlichen Möglichkeiten reichen vollkommen aus, um hier gegen den IS vorzugehen", sagte Jelpke. Falsch sei es, gegen dschihadistische Rückkehrer aus Syrien ausschließlich wegen noch gar nicht begangener potenzieller Anschläge nach dem „Terrorcamp-Paragrafen“ zu ermitteln.

Grüne: Es fehlt Geld für Präventionsprojekte

Auch die Grünen-Innenpolitikerin Irene Mihalic verlangte verstärkte Anstrengungen zur Prävention. Gebraucht werde ein gut abgestimmtes Deradikalisierungskonzept, das auch mit entsprechenden finanziellen Mitteln hinterlegt sein müsse, sagte sie dem Tagesspiegel. Die derzeit im Bundeshaushalt dafür vorgesehenen 549.000 Euro reichten dafür nicht im Ansatz aus. "Gute Sicherheitspolitik braucht auch eine gute Finanzausstattung. Die im Haushalt vorgesehenen Kürzungen bei den Sicherheitsbehörden sind vor diesem Hintergrund völlig unverständlich." De Maizière müsse die Sonder-Innenministerkonferenz nutzen "und endlich Analysen und Maßnahmen in Bund und Ländern im Kampf gegen den Terrorismus vernetzen". Die Bundesregierung betreibe bisher "zu viel Stückwerk, es fehlt eine kohärente Strategie". Bund und Länder müssten gemeinsam beraten, wie sie die Kontrollen an den Außengrenzen optimieren können, sodass Terroristen erfolgreich an der Ausreise in die  Kriegsgebiete gehindert werden können.

Wieder mehr Passkontrollen in Europa

Der Kampf gegen Dschihadisten in Europa bestimmte auch ein Treffen der EU-Innenminister am Donnerstag. "Wir wollen nicht, dass aus Deutschland  und Europa Terror exportiert wird", sagte de Maizière am Rande der Begegnung mit seinen Amtskollegen in Luxemburg: „Und wir wollen erst recht nicht, dass ausgebildete Kämpfer nach Europa und Deutschland zurückkehren und gegebenenfalls hier Anschläge planen.“ Die Minister vereinbarten  weitere Maßnahmen, um nach dem Attentat auf das Jüdische Museum in Brüssel Ende Mai weitere Gewalttaten „weniger wahrscheinlich“ zu machen, wie der EU-Antiterrorbeauftragte Gilles de Kerchove sagte.

Es geht vor allem um mehr Grenzkontrollen und besseren Informationsaustausch. "Wir müssen sicherstellen, dass jeder Grenzbeamte an den EU-Außengrenzen weiß, ob derjenige, der da ein- oder ausreisen will, ein Kämpfer ist." Dazu soll ein entsprechender Eintrag in das sogenannte Schengener Informationssystem der Sicherheitsbehörden eingegeben werden und somit europaweit abrufbar sein. Das ist bisher nicht der Fall und erfordert eine aufwendige technische Prozedur.

Innenminister Thomas de Maizière am Donnerstag in Luxemburg
Innenminister Thomas de Maizière am Donnerstag in Luxemburg

© John Thys/AFP

Die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner kündigte an, dass es zudem wieder "mehr Passkontrollen" in Europa geben werde: "Wir müssen wegkommen von den stichprobenartigen Kontrollen hin zu systematischeren Kontrollen." Darunter will die Bundesregierung keine Rückkehr zum früheren Europa der Schlagbäume verstanden wissen. Vielmehr sollen beispielsweise alle Fluggäste kontrolliert werden, die innerhalb einer Woche aus Istanbul ankommen, wenn die Geheimdienste über Informationen verfügen, dass sogenannte Gefährder via der Türkei in einen EU-Staat reisen wollen. Eine formale Änderung der Schengener Freizügigkeitsgesetze  würde jedoch mindestens ein Jahr dauern. Die Minister berieten daher am Donnerstag in Luxemburg darüber, ob sich die Pläne auch über einen bloßen Verwaltungsakt und damit wesentlich schneller umsetzen ließen.

Streit um Fluggastdaten

Um mehr über  nach Europa zurückkehrende Dschihadisten in Erfahrungen zu bringen, wollen die Innenminister auch ein EU-Fluggastdatensammelsystem aufbauen. Ein entsprechender Gesetzesvorschlag liegt schon  länger vor, wird jedoch  wegen datenschutzrechtlicher Bedenken vom Europaparlament blockiert. Man müsse den Abgeordneten erneut "die Brisanz und Bedeutung dieses Systems vor Augen führen", sagte ein EU-Diplomat in Luxemburg. Die  SPD-Europaabgeordnete Birgit Sippel sagte dagegen: "Man muss nicht immer die Daten aller Bürger sammeln  – man kann diesen oft ja bekannten Gefährdern auch einfach den Reisepass entziehen oder ihnen eine Meldepflicht auferlegen."

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