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Politik: Islam spaltet Christen

In der Union sortieren sich Pro und Contra zu Äußerungen des Innenministers

Berlin - Es ist wahrscheinlich kein Zufall, dass Bundespräsident Christian Wulff ausgerechnet im arabischen Fernsehsender Al-Dschasira seinen umstrittenen Satz wiederholt, mit dem er sinngemäß bereits im vergangenen Oktober in seiner Rede zum Tag der Deutschen Einheit für Streit in der Union gesorgt hat: „Der Islam ist ein Teil von Deutschland“, stellt der CDU-Politiker fest, nachdem er damals davon sprach, die Religion gehöre zum Land. Man dürfe nicht zulassen, dass diese Religion automatisch mit Terrorismus in Verbindung gebracht werde. Die muslimischen Einwanderer hätten die gleichen Rechte wie alle anderen Deutschen, da auch sie zum Aufbau des Staates beitrügen, sagte er jetzt.

Aufgezeichnet wurde das Interview bereits am Montag während des Besuchs des Bundespräsidenten in Katar – dort ist der Islam Staatsreligion. Dass nur drei Tage später der frisch berufene Bundesinnenminister und CSU-Mann Hans-Peter Friedrich ihm widersprechen würde, konnte Wulff da noch nicht ahnen.

Bei seinem ersten Auftritt als Minister in Berlin am Donnerstag sagte Friedrich, die in der Bundesrepublik lebenden Menschen islamischen Glaubens gehörten zu Deutschland. Er betonte zugleich: „Aber dass der Islam zu Deutschland gehört, ist eine Tatsache, die sich auch aus der Historie nirgends belegen lässt.“ Ähnlich kritisch hatte der CSU-Mann sich bereits früher mit Wulffs Äußerungen auseinandergesetzt – damals allerdings noch in seiner Rolle als CSU-Landesgruppenvorsitzender und nicht als Innenminister, der auch für die von seinem Vor-Vorgänger Wolfgang Schäuble (CDU) ins Leben gerufene Islamkonferenz zuständig ist.

Während Friedrich den Koalitionspartner FDP und die Opposition mit seinen Äußerungen gegen sich aufbrachte, erntete er in den eigenen Reihen auch Zustimmung für seine kritischen Töne: „Der Innenminister hat völlig recht“, sagte Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) der „Passauer Neuen Presse“. „Der Islam hat unsere Gesellschaft nicht geprägt und prägt sie auch heute nicht. Der Islam gehört damit nicht zu Deutschland“, betonte Kauder am Wochenende.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz, hält diese Analyse jedoch für falsch. „Wer sagt, dass eine Weltreligion nicht zu Deutschland gehört, gibt auch den Anhängern dieser Religion das Gefühl, dass sie nicht zu Deutschland gehören“, sagte der CDU-Politiker dem Tagesspiegel. Das Grundgesetz verpflichte den Staat zur positiven Neutralität gegenüber den Religionen. „Wir können nicht den vier Millionen Muslimen in Deutschland den Eindruck vermitteln, dass sie nicht zu uns gehören“, mahnte Polenz. Er stellte zugleich klar, Wulff habe nicht behauptet, dass dieses Land vom Islam ähnlich stark geprägt worden sei wie vom Christentum. Mit Blick auf die Islamkonferenz sagte Polenz, Friedrich könne „schnell unter Beweis stellen“, wie sehr er die Muslime dabei haben wolle. Mit dem 2006 ins Leben gerufenen Gesprächsforum soll die Integration der Muslime gefördert werden. Friedrich seinerseits bot am Samstagnachmittag den Muslimen einen Dialog an. Er freue sich „auf die alsbaldigen Gespräche“ mit ihren Verbänden, die in der Islamkonferenz vertreten sind.

Scharfe Kritik erntet Friedrich auch aus den muslimischen Verbänden. Die Vorsitzende des liberal-islamischen Bundes, Lamya Kaddor, nannte seine Worte eine „Ohrfeige ins Gesicht der Muslime“. So eine Aussage sei nicht nur „politisch und geschichtlich falsch“, sagte sie der „Frankfurter Rundschau“. „Ich halte sie für gefährlich“. Damit würden alle Fortschritte in der Islamdebatte der vergangenen Jahre negiert und die Dialogbereitschaft vieler Muslime geschwächt. Auch der Koordinierungsrat der Muslime (KRM) hatte Friedrich vorgeworfen, zu polemisieren und zu polarisieren. „Die selektierenden Aussagen des neuen Bundesinnenministers hemmen die Integration“, sagte Erol Pürlü, Sprecher des Koordinierungsrats.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, warf Friedrich einen „Fehlstart“ vor. Als Bundesinnenminister reiche es nicht aus, Deutschland aus der Sicht von Oberfranken zu betrachten, sagte Oppermann und fügte hinzu: „Bundespräsident Wulff hat recht: Der Islam gehört zu Deutschland.“

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