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Jochen Hartloff (SPD) hat angeregt, bei Rechtsstreitigkeiten muslimische Schiedsgerichte hinzuzuziehen.

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Islamische Schiedsgerichte: Justizminister sorgt mit Scharia-Vorschlag für Aufregung

Mit seiner Forderung nach islamischen Scharia-Schiedsgerichten in Deutschland ist der rheinland-pfälzische Justizminister Jochen Hartloff auf Verwunderung und Ablehnung gestoßen.

Das Bundesjustizministerium warnte am Freitag in Berlin davor, „von einer möglichen Paralleljustiz in Deutschland zu sprechen“. Die CSU forderte Hartloffs Rücktritt. Der SPD-Politiker Hartloff will ergänzend zum deutschen Recht bei zivilen Streitigkeiten auch das Rechtssystem des Islams anwenden.

Ein Sprecher des Bundesjustizministerium sagte, die Justiz liege allein in den Händen des Staates und sei „strikt an rechtsstaatlichen Vorgaben orientiert“. Er verwies aber auch darauf, dass „Elemente der gütlichen Streitbeilegung“ in die „rechtsstaatlichen Verfahren der unabhängigen staatlichen Gerichte“ eingebettet werden müssten.

Der CSU-Rechtsexperte Stephan Mayer forderte in der „Bild“-Zeitung Hartloffs Rücktritt. „Es ist unvorstellbar, dass ein Justizminister solche Gedanken hegt“, sagte er. „Die Scharia ist in jeder Form grausam und menschenverachtend.“ Der Vorsitzende der Justizministerkonferenz der Länder, Jörg-Uwe Hahn (FDP) aus Hessen, betonte: „Recht sprechen bei uns deutsche Gerichte. Islamische Sondergerichte braucht es da nicht.“ Der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Ole Schröder (CDU), schloss sich der Kritik, an „In Deutschland gilt das Grundgesetz und das Strafgesetzbuch und kein Scharia-Recht.“ Auch die Grünen reagierten mit Skepsis: „Ich bewerte diesen Vorschlag zurückhaltend“, teilte die Rechtsexpertin der Bundestagsfraktion, Ingrid Hönlinger, auf Anfrage mit. Die Justiz müsse gewährleisten, dass besonders familienrechtliche Entscheidungen mit den inländischen Wertvorstellungen in Einklang stünden, betonte die Grünen-Politikerin.

Befürwortet wurde der Vorstoß hingegen vom Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD). „Eine außergerichtliche Streitschlichtung ist zu begrüßen, weil sie unsere Gerichte entlastet und oft nachhaltiger die Streitparteien befrieden kann“, sagte der Vorsitzende des Zentralrats, Aiman Mazyek. Dennoch werde der ZMD „keinesfalls einer parallelen islamischen Justiz das Wort reden“. Dies sei bereits vor zehn Jahren in einer entsprechenden Charta festgehalten worden.

Die Linke bezeichnete die Aufregung um den Vorschlag von Hartloff als „gekünstelt“. Der Justizminister habe lediglich die geltende Rechtslage beschrieben, sagte der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Neskovic. Es sei grundsätzlich zulässig, sich für die außergerichtliche Klärung streitiger Sachverhalte auf die Zuständigkeit von Schiedsgerichten zu einigen.

In Rheinland-Pfalz will die CDU-Opposition die Äußerungen von Hartloff im Rechtsausschuss des Landtags thematisieren. Der Justizminister leiste „ohne Not dem Entstehen einer Parallelgesellschaft Vorschub“ und stelle das Gewaltmonopol infrage, sagte der rechtspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Axel Wilke.

Hartloff hatte gesagt, bei zivilen Rechtsstreitigkeiten halte er Scharia-Gerichte in Form von Schiedsgerichten für möglich. Dabei dürften keine Straftaten verhandelt werden, sondern nur Streitigkeiten über Geld, Scheidungen und Erbsachen. Beide Streitparteien müssten ein solches islamisches Gericht akzeptieren. Auch der Sport oder die Kirchen hätten ihre eigene Rechtssprechung. Zudem sei die Scharia nur in einer modernen Form akzeptabel. „Steinzeit werden wir nicht tolerieren. Steinigen ist menschenrechtswidrig“, betonte Hartloff.

Die Scharia umfasst alle Bereiche des persönlichen und gesellschaftlichen Lebens im Alltag von Muslimen, vom Familien- bis zum Strafrecht. Sie leitet sich von zwei Quellen ab, dem Koran und den in der Sunna niedergeschriebenen Handlungen des Propheten Mohammed. Bis zum 19. Jahrhundert war die Scharia nicht einheitlich schriftlich niedergelegt, galt jedoch in der gesamten islamischen Welt als einzig verbindliches Recht. (dapd)

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