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Voll verschleierte Frauen zeigen sich in einem Propagandavideo der IS-Miliz mit Gewehren, angeblich in der Nähe der syrischen Stadt Al-Rakka.

© dpa

"Islamischer Staat": 100 Frauen aus Deutschland im Dschihad

Die deutschen Sicherheitsbehörden vermuten in der Kriegsregion Syrien-Irak rund 100 Frauen aus Deutschland, die sich den Islamisten angeschlossen haben. Einige sind bereits zurückgekommen.

Von Frank Jansen

Die Sicherheitsbehörden sehen sich zunehmend mit einem bizarren Phänomen konfrontiert. Unter den Islamisten, die sich aus Deutschland in die Kriegsregion Syrien-Irak begeben, befinden sich immer mehr Frauen – trotz der enormen Gefahren und des brachialen Machismo der Dschihadistenszene. Ungefähr 100 ausgereiste Frauen hielten sich „aktuell in Syrien und im Irak“ auf, sagte jetzt der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, in Berlin.

Laut Münch gibt es derzeit Erkenntnisse zu insgesamt 700 Personen aus der Bundesrepublik, die in das Bürgerkriegsgebiet gereist seien, um sich dem sogenannten Islamischen Staat und anderen terroristischen Gruppierungen anzuschließen. Etwa ein Drittel (darunter auch Frauen) sei wieder zurückgekehrt und befinde sich momentan in Deutschland. Das bedeutet offenbar, dass die Zahl aller bislang in Richtung Syrien-Irak gereisten Frauen, darunter auch Mütter mit Kindern, sogar noch höher ist als die der 100, die sich „aktuell“ in der Kriegsregion aufhalten.

Hauptaufgabe sind die Missionierung und die Propagandaarbeit

Angesichts der chaotischen Lage dort und der enormen Probleme, an gesicherte Daten heranzukommen, ist das Wissen von Polizei und Nachrichtendiensten über die ausgereisten Islamisten und insbesondere über die Frauen begrenzt. Es sei nicht auszuschließen, dass auch Frauen aus Deutschland im Kriegsgebiet ums Leben gekommen sind, sagen Experten, doch sichere Zahlen lägen nicht vor. Das gilt auch für die Frage, ob sich Frauen aus der Bundesrepublik an Kampfeinsätzen beteiligt haben.

Frauen würden in dschihadistischen Organisationen „vor allem bei der Missionierung sowie der Kontrolle und Sanktionierung anderer Frauen“ sowie in den Bereichen Erziehung und Bildung, der Versorgung von Verwundeten „oder der Propagandaarbeit im virtuellen Raum eingesetzt“, heißt es in einer im Juni veröffentlichten Studie des Berliner Verfassungsschutzes zur Ausreise von Islamisten aus der Stadt nach Syrien und den Irak. Die Mehrzahl der aus Berlin stammenden Frauen sei mit ihrem Ehepartner oder auch gemeinsam mit den Kindern ausgereist.

Ein Fall aus Kreuzberg

Ein offenbar exemplarischer Fall hat auch einen Berliner Hintergrund. Vor dem Kammergericht muss sich seit Januar der Kreuzberger Islamist Fatih K. verantworten, der im Juni 2013 mit seiner Frau und allen sechs Kindern in den syrischen Bürgerkrieg gereist sein soll. Laut Anklage der Bundesanwaltschaft begab sich die Familie in eine Region in Nordsyrien. Fatih K. soll dort für die von Tschetschenen dominierte Miliz „Junud al Sham“ (Soldaten Syriens) gekämpft und Propagandavideos gedreht haben. Ehefrau und Kinder waren offenbar damit beschäftigt, ihr Überleben zu sichern. Die Familie sei in einem großen Haus in einer Gegend untergekommen, „in der immer viele Bomben fallen“, sagte Denis Cuspert, mutmaßlicher Kumpan von Fatih K. und inzwischen einer der bekanntesten Agitatoren des IS, in einem vom BKA abgehörten Telefonat. Das Abenteuer endete für die Familie glimpflich. Vermutlich im September 2013 kamen K., seine Frau und die Kinder nach Deutschland zurück.

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