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Im Mai 2015 hatten die Islamisten Palmyra erstmals eingenommen. Während ihrer Herrschaft wurden viele Menschen getötet und einzigartige Kulturgüter aus vorislamischer Zeit zerstört.

© O. Sanadiki/Reuters

"Islamischer Staat": Dschihadisten marschieren wieder in Palmyra ein

Der Terrormiliz IS ist es gelungen, erneut in die antike Oasenstadt Palmyra einzudringen. Offenbar verfügt die Miliz nach wie vor über militärische Schlagkraft. Wie konnte es zur Offensive kommen? Eine Analyse.

Es ist eine Inszenierung mit klarer Botschaft. Das Orchester des Sankt Petersburger Mariinskij-Theaters spielt in den Ruinen der historischen Wüstenstadt Palmyra. Russische Soldaten, syrische Einheiten und uniformierte Kinder lauschen andächtig den Werken von Johann Sebastian Bach und Sergej Prokofjew. Einige Hundert Besucher sind ins antike Amphitheater gekommen, um vor spektakulärer Kulisse der Opfer des Terrors zu gedenken. Das Konzert soll der Weltöffentlichkeit vor Augen führen: Den Truppen von Syriens Machthaber Baschar als Assad ist es mit massiver militärischer Unterstützung aus Moskau gelungen, das Weltkulturerbe zu befreien. Und: Die Dschihadisten des „Islamischen Staats“ (IS) sind nicht unbesiegbar. Im Gegenteil.

Erste umfangreiche Offensive seit Monaten

Das war im Mai. Zwei Monate, nachdem die bärtigen Fundamentalisten aus Palmyra vertrieben werden konnten. Doch jetzt sind die Extremisten zurückgekehrt, zumindest vorübergehend. Vor einigen Tagen begann die IS-Miliz, die Oasenstadt in Zentralsyrien von mehreren Seiten zu attackieren. Auch ein großes Gasfeld konnten sie erobern. Die Assad-Truppen hatten dem wenig entgegenzusetzen. Die Islamisten rückten rasch vor. Erst in der Nacht zu Sonntag gelang es der russischen Armee, die Terroristen mithilfe von Luftangriffen wieder aus Palmyra zu vertreiben. Aber kurze Zeit später waren die „Gotteskrieger“ wieder zur Stelle und konnten erneut in die antike Handelsmetropole einmarschieren.

Es war das erste Mal in diesem Jahr, dass der „Islamische Staat“ eine derart umfangreiche Offensive startete. Und dass, obwohl er seit Monaten viele Kämpfer und einen Großteil seines Territoriums in Syrien und im Irak verloren hat. Das bestätigt all jene Experten, die immer wieder davor warnen, den IS zu unterschätzen. Palmyra macht deutlich, wozu die Terrororganisation nach wie vor militärisch in der Lage ist. Gerade, wenn sie allein die Assad-Truppen zum Gegner haben. Denn dem Regime fällt es offenkundig sehr schwer, ohne russische Unterstützung eroberte Gebiete dauerhaft zu halten. Kurz bevor der IS Richtung Palmyra marschierte, soll Moskau seine Militärberater von dort abgezogen haben.

USA schicken zusätzliche Spezialkräfte

Dass der IS weiterhin eine Bedrohung ist, scheinen auch die Verantwortlichen in den USA so zu sehen. Verteidigungsminister Ashton Carter kündigte bei einer Konferenz in Bahrain an, 200 zusätzliche Soldaten nach Syrien zu entsenden. Gemeint sind damit Spezialkräfte, Ausbilder und Sprengstoffexperten. Sie sollen die etwa 300 bereits im Land stationierten US-Soldaten bei ihrer Arbeit unterstützen. Es gehe darum, dem IS eine „bleibende Niederlage“ zuzufügen.

Doch bis dahin ist es wohl noch ein weiter Weg. Daran ändern selbst die jüngsten Erfolgsmeldungen im Kampf gegen den Terror kaum etwas. Vor wenigen Tagen teilte zum Beispiel das Pentagon mit, die US-geführte Militärallianz habe seit dem Beginn der Einsätze vor zwei Jahren mindestens 50.000 IS-Mitglieder getötet. Das wirke sich erheblich auf den Feind aus, hieß es.

Auffallenderweise gab es jedoch keine Angaben darüber, über wie viele Kämpfer die Dschihadisten gegenwärtig verfügen. Womöglich mit gutem Grund. Fachleute gehen davon aus, dass der IS weiterhin gut 20.000 Männer unter Waffen hat. Auch verfügt die Streitmacht trotz aller Erfolge der Anti-IS-Koalition über beträchtliche Ressourcen in Form von Geld und Waffen.

Dabei kommt den Terroristen zugute, dass Russland und Syriens Regierung alles daransetzen, vor allem Rebellengebiete wie die Stadt Aleppo unter Kontrolle zu bekommen. Das spielt in den Überlegungen Assads eine deutlich größere Rolle, als den IS zu zerschlagen. Denn solange die Islamisten Angst und Schrecken verbreiten, ohne eine echte Gefahr für das Regime darzustellen, kann sich der Autokrat in Damaskus der Welt als kleineres Übel präsentieren. Künftig dürfte es daher wohl weitere spektakuläre Vorstöße des „Islamischen Staats“ geben. Wie in Palmyra.

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