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Das Bild der Muslime in Deutschland wird durch Extremisten wie die Salafisten (hier im Bild eine Demo im April) geprägt, beklagt Mohammed Khallouk vom Zentralrat der Muslime.

© Boris Roessler dpa/lh

Islamismus und der Fall Franco A.: Wider die Anfeindungen von Muslimen

Muslime werden in Deutschland in erster Linie als Täter gesehen - nicht als Opfer. Dass Franco A. auch den Zentralrat der Muslime auf seiner Liste stehen hatte, zeigt, wie falsch das ist. Ein Gastbeitrag

Wenngleich das Verbot der Diskriminierung und der Schutz vor Ausgrenzung aufgrund von Rasse oder Geschlecht zum elementaren Prinzip des deutschen Grundgesetzes gehören und Religionsgemeinschaften nominell sogar einem besonderen Schutz des deutschen Staates unterworfen sind, sehen sich organisierte Muslime derzeit öffentlichen Anfeindungen übelster Art scheinbar schutzlos ausgeliefert. Nicht nur suchen sich Politiker in Wahlkampfzeiten allzu gern mit Maßnahmenpaketen gegen eine tatsächliche oder vermeintliche Gefahr „Islamismus“ zu profilieren, unzählige private Internetblogs haben sich geradezu darauf spezialisiert, Hetze gegen Muslime und ihre Institutionen zu verbreiten. Die islamfeindliche Programmatik von Rechtspopulisten wie der AFD kann sich auf Seiten wie „Politically Incorrect“, „Achse des Guten“ oder „Madrasa of Time“ als kostenlose Werbetrommeln mit Zehntausenden täglicher Nutzer stützen, die ohne Strafverfolgung befürchten zu müssen, tagaus tagein muslimische Verbandsvertreter pauschal als „Kriminelle“ oder „Terroristen“ verunglimpfen.

Vielmehr finden sich derartige Demagogen gelegentlich auch in renommierten Medien und sogar im Wissenschaftsbetrieb wieder. Wenn sogar die Leiterin eines wissenschaftlichen Zentrums Funktionäre des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD) unwidersprochen als „Faschisten im religiösen Mäntelchen“ bezeichnen darf, erscheint es nur noch eine Frage der Zeit, bis deutsche Islamvertreter auch zu physischen Opfern von Terroranschlägen werden. Die Aufführung des ZMD auf der „Todesliste“ des mutmaßlich rechtsextremen Bundeswehroffiziers Franco A. ist nur die „amtliche Bestätigung“ für eine scheinbar unausweichliche Entwicklung.

Gewalttäter tarnen sich als Islamisten

Solange auch Teile des offiziellen Diskurses organisierte Muslime in erster Linie als potentielle Täter und nicht als Opfer wahrnehmen und Berichte über „salafistische Netzwerke“, „islamistische Moscheen“ und „radikale Imame“ in der Öffentlichkeit einen überdimensionalen Raum einnehmen, müssen die islamfeindlichen Hetzer sich gar als „Verfechter der freiheitlich demokratischen Grundordnung“ legitimiert vorkommen. Vielmehr können Gewalttäter aus der nichtmuslimischen Mehrheitsgesellschaft ihre Taten glaubwürdig hinter der Maske eines „muslimischen Terroristen“ verstecken. Der als syrischer Flüchtling getarnte Franco A. ist nur das jüngste Beispiel dafür. Schließlich hatte bereits der Attentäter auf den BVB-Bus vergangenen Monat zur Ablenkung von sich Bekennerschreiben mit IS-Signatur verfasst.

Dem inneren Frieden in der Bundesrepublik Deutschland dient diese einseitige Extremismusbekämpfung jedenfalls nicht. Anhand der Statistik, wonach für die letzten Jahre die „islamistisch motivierten“ Straftäter kaum mehr als ein Zehntel von „rechtsextremistisch motivierten“ ausmachten, könnten sich Sicherheitsbehörden selbst von der Erfolglosigkeit dieser Politik überzeugen lassen.

Ohne die Aktivitäten radikaler Muslime zu verharmlosen, könnte gerade anhand deren Rekrutierungsweise abgeschaut werden, dass das Internet für die Radikalisierung bislang unbescholtener Individuen sich erheblich effektiver erweist als einzelne Hassprediger. Bekanntlich hatte sich der Zugattentäter von Würzburg vom vergangenen Jahr übers Internet zu seinem Anschlag verleiten lassen. Bereits 2011 hatte Arid Uka für seinen Anschlag auf US-Soldaten im Frankfurter Flughafen sich durch ein Youtube-Video inspirieren lassen.

Das Internet als Terrorforum

Wenn sogar Terroristen für Rekrutierung und Anschlagsvorbereitung das Internet bevorzugen, fragt man sich, wieso die Sicherheitsbehörden der Dauerhetze auf unbescholtene muslimische Verbandsvertreter nahezu tatenlos zusehen. Bedarf es erst eines Anschlags mit prominenten Muslimen als physische Opfer, um Islamverbände vor dem „Psychoterror“ zu schützen, dem sie tagtäglich ausgesetzt sind?

Wer ein Interesse daran besitzt, dass die Muslime sich fortdauernd in gleicher Weise mit Demokratie und Rechtsstaat identifizieren wie die Mehrheitsgesellschaft, ist aufgerufen, sie auch in gleichem Maße daran teilhaben zu lassen. Das Bedürfnis nach staatlich gewährter Sicherheit ist dafür zentral. Ebenso zentral ist aber eine öffentliche Diskursänderung, die anerkennt, Muslime und mehr noch ihre Interessenvertreter sind hierzulande in erster Linie Opfer von Extremisten– übrigens auch und schon immer von sogenannten „muslimischen“ Terroristen, wie vor einigen Wochen wieder geschehen, wo eine IS-Seite zur Ermordung von Aiman Mazyek aufrief. Ein wirkungsvoller, auch von den Betroffenen als solcher wahrgenommener Opferschutz ist darüber hinaus Bestandteil von Radikalisierungsprävention.

- Der Autor ist stellvertretender Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD). Sein letztes Werk „Islamischer Fundamentalismus vor den Toren Europas (2. Auflage)“ ist 2016 bei Springer VS erschienen.

Von Mohammed Khallouk

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