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Seit sechs Wochen kämpfen Islamisten um die Macht in Libyens Hauptstadt. Es sieht so aus, als hätten sie vorläufig gewonnen.

© dpa

Islamisten nehmen Flughafen von Tripolis ein: Libyen zerfällt

Islamisten erobern den Flughafen der Hauptstadt Tripolis. Das Parlament ist an die Grenze zu Ägypten geflohen - dort denkt man offenbar über eine Invasion nach.

Aus dem Hauptterminal schlugen meterhoch die Flammen. Mit schwingenden Kalaschnikows und lachenden Gesichtern tanzten Bewaffnete auf Kabinendächern und Flügeln von Passagiermaschinen herum. Dazwischen lagen die Skelette ausgebrannter Großjets. Der Tower des Flughafens von Tripolis ist nur noch eine schwarze Hülse, die Startbahn zerpflügt, umliegende Wohnviertel von schlecht gezielten Raketen verwüstet. In Brand geschossene Großtanks eines nahe gelegenen Benzin- und Gasdepots stehen seit Wochen in Flammen. Trotzdem feierten die islamistischen Kämpfer der „Fajr-Libya-Brigaden“ aus Misrata am Sonntag ungerührt den Sieg über ihre säkular-nationalen Gegner aus Zintan, die das Flughafenareal bisher unter Kontrolle hatten.

Der Schaden geht in die Milliarden

Sechs Wochen lang feuerten beide Seiten aufeinander. Nahezu hundert Menschen kamen dabei ums Leben. Der Schaden geht in die Milliarden. Selbst in den schlimmsten Kampftagen in der Endphase des Gaddafi-Regimes vor drei Jahren hat es in der Hauptstadt Tripolis solche Szenen der Verwüstung nicht gegeben. Libyen ist vollkommen von der Außenwelt abgeschlossen. Der Luftverkehr ist eingestellt. Der Flughafen auf Monate, wenn nicht auf Jahre ruiniert.

Das Parlament ist auf der Flucht

Das Ende Juni neu gewählte Parlament flüchtete in den hintersten Winkel des Landes, in das 150 Kilometer von der ägyptischen Grenze entfernte Tobruk. Ohnmächtig müssen die Volksvertreter im Fernsehen mitansehen, wie das ganze Land ins Chaos stürzt. Wasser und Strom in Tripolis funktionieren nur noch stundenweise. Müll türmt sich in den Straßen. Vor den Tankstellen warten endlose Schlangen von Autofahrern. Ähnlich desolat ist die Lage auch in der östlichen Metropole Bengasi, wo die Extremisten von Ansar al Scharia die Oberhand haben.

Ägypten will vermitteln

Nachbar Ägypten rief für Montag eine Konferenz aller Anliegerstaaten in Kairo zusammen. Sein Präsident Abdel Fattah al Sissi hält die Anarchie in Libyen inzwischen für die größte Bedrohung der eigenen nationalen Sicherheit. Vor sechs Wochen waren bei einem Terrorüberfall auf eine Militärstation in der Westwüste zu Libyen 22 Soldaten ermordet worden. Am Donnerstag ermordeten libysche Extremisten im Fußballstadion von Derna, einer Islamistenhochburg an der Mittelmeerküste, demonstrativ einen Ägypter.

Luftschläge gegen Islamisten

Gleichzeitig erregten mysteriöse Kampfflugzeuge über Tripolis Aufsehen, die mehrfach Stellungen der islamistischen „Fajr-Libya-Brigaden“ mit Raketen beschossen und dabei 15 Kämpfer töteten und mehr als 30 verletzten. Die Attackierten drohten am Wochenende mit Vergeltung und behaupteten auf einer Pressekonferenz, die Jets stammten aus Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Libyens Luftwaffe hat keine Maschinen, die nachts Operationen mit lasergesteuerten Raketen ausführen können.

Plant Kairo eine Invasion?

Aus Kairo kam sofort ein striktes Dementi, die Emirate hüllten sich zunächst in Schweigen. Am Nil in Kairo jedoch ist es längst ein offenes Geheimnis, dass die Führung über eine militärische Intervention nachdenkt. Anfang August hatte der ehemalige Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Moussa, erstmals öffentlich ein Vorgehen der ägyptischen Armee gegen die Gotteskrieger in Libyen gefordert. Moussa gilt als einer der engsten außenpolitischen Berater des ehemaligen Generals und neuen Präsidenten Sissi.

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