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Einsteigen bitte! Die Polizei in Göttigen bei einer Razzia in der Salafistenszene. Zwei mutmaßliche Gefährder wurden abgeschoben.

© Stefan Rampfel/dpa

Islamistische Gefährder: Niedersachsen macht es vor: Abschiebungen sind möglich

Was tun gegen islamistische Gefährder? Seit Anis Amri wurde viele Verschärfungen beschlossen, dabei hätte man schon längst einfach abschieben können. Die Gesetze waren da. Ein Einspruch

Aus den vielen Diskussionen nach dem Berliner Attentat des Tunesiers Anis Amri im Dezember können bisher zumindest zwei Erkenntnisse gewonnen werden. Erstens: Behörden und Bundesländer werden nicht aufhören, sich gegenseitig die Schuld dafür zuzuschieben, den Attentäter nicht frühzeitig festgesetzt zu haben. Die zweite, wichtigere, steht spätestens seit Dienstag fest. Amri hätte sehr wahrscheinlich mit den vorhandenen gesetzlichen Mitteln aufgehalten werden können. Ohne neue Fußfesseln und neue Verschärfungen.

Grund sind die Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts zur Abschiebung zweier Göttinger Salafisten. Gegen die Männer aus Nigeria und Algerien war erstmals eine Anordnung nach Paragraf 58a Aufenthaltsgesetz ergangen. Damit kann ein Ausländer bei einer „besonderen Gefahr“ abgeschoben werden, ohne ihn vorher förmlich auszuweisen. Ein Radikalverfahren, das es schon mehr als zehn Jahre gibt, eingeführt für terroristische Gefährder. Nur haben es die zuständigen Innenminister niemals angewandt. Auch bei Amri nicht, obwohl es damals in Nordrhein-Westfalen für ihn erwogen wurde. Die Hürden seien zu hoch, hieß es stets.

Hürden? Die Leipziger Richter lassen ab sofort „eine vom Ausländer ausgehende Bedrohungssituation im Sinne eines beachtlichen Risikos“ genügen, das sich „jederzeit aktualisieren und in eine konkrete Gefahr umschlagen“ könne. Was sie damit meinen, erläutern sie ausführlich: Das nötige Risiko werde schon dadurch hinreichend dokumentiert, dass sich gewaltbereite junge Männer „auf Identitätssuche“ offen zum Dschihad bekennen und Kontakt zu Gleichgesinnten pflegen, um sich mit ihnen über vorgeblich religiöse Fragen auszutauschen.

Wer bei Facebook Mörderfantasien postet, kann dran sein

Damit ist ein zur Abschiebung freigegebener Gefährder theoretisch auch das Großmaul, das bei Facebook seine Märtyrerfantasien zum Besten gibt, um die Welt von sich zu beeindrucken. Den Innenministern dürften diese Definitionen in einer Weise die Augen öffnen wie den Betroffenen die Zellentüren. Niedersachsen hat sogleich angekündigt, die nächsten Fälle zu prüfen, die es absehbar im ganzen Bundesgebiet geben wird. Islamistische Schwätzer, die weiterschwätzen wollen, sollten vom Internet besser in die Hinterzimmer ziehen.

Ob Deutschland damit sicherer wird, mag dahinstehen; sicher ist, dass der Staat alles andere als wehrlos und terroristischen Gefahren ausgeliefert ist. Was nötig ist, kann getan werden. Es mag sein, dass die Bundesverwaltungsrichter nur in Ansicht des Falls Amri so scharf entschieden. Aber es ist müßig, darüber nachzudenken. Der Fehler lag darin, den Berliner Attentäter falsch eingeschätzt und Paragraf 58a bei ihm nicht ausprobiert zu haben. Ein Vorwurf ist das nicht. Richter, Politiker, Bürger, Journalisten – hinterher sind immer alle klüger.

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