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Israel: Barak tritt der Koalition von Netanjahu bei

Die einen schrieen "Schande", als das Ergebnis verlesen wurde, die anderen applaudierten stürmisch. Vier Stunden dauerte der dramatische Parteitag bis am Dienstag die Entscheidung fiel: Israels Arbeitspartei beteiligt sich an einer Rechtskoalition unter dem designierten Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu.

55 Prozent der 1470 Delegierten, die in Tel Aviv zusammengekommen waren, votierten für den Koalitionsvertrag, den Parteichef Ehud Barak am Vormittag abgeschlossen hatte. Darin verpflichtete sich Netanjahu, „eine regionale Friedensregelung anzustreben“ und die bisherigen Abkommen mit den Palästinensern zu respektieren. Allerdings legt die Vereinbarung das neue Kabinett ausdrücklich nicht darauf fest, die Gründung eines palästinensischen Staates anzustreben. Zudem will die künftige Regierung gegen nicht genehmigte jüdische Siedlungen im Westjordanland vorgehen, aber auch mit dem Abriss illegal errichteter palästinensischer Häuser fortfahren. Diese Praxis vor allem in Ostjerusalem hatte zuletzt die neue amerikanische Außenministerin Hillary Clinton als „wenig hilfreich“ kritisiert.

„Ich habe keine Angst vor Bibi Netanjahu“, beschwor Barak die Delegierten. „Wir werden nicht sein Feigenblatt spielen.“ Man sei vielmehr das Gegengewicht, was sicherstellt, „dass wir nicht eine rein rechte Regierung bekommen“. Die Arbeitspartei erhält in Netanjahus Kabinett fünf Ministerposten. Barak selbst bleibt Verteidigungsminister.

Mit der Vereinbarung hat Netanjahu das Ziel erreicht, sein bisheriges Dreier-Bündnis aus religiösen und ultrarechten Partnern zu erweitern und auf eine breitere politische Grundlage zu stellen. Dies ist insbesondere im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten wichtig, die die Gründung eines eigenständigen und lebensfähigen Palästinenserstaates als das vorrangige Ziel ihrer Nahostpolitik definiert hatte. Zusammen mit der Arbeitspartei verfügt die neue Koalition über 66 Sitze in der 120-köpfigen Knesset, also über eine absolute Mehrheit.

Trotz des zustimmenden Votums auf dem Parteitag bleibt die Arbeitspartei über den Beitritt zu Netanjahus Koalition tief gespalten. Nach der historischen Wahlschlappe seiner Partei im Februar hatte Barak zunächst angekündigt, sich in die Opposition zurückzuziehen. Seine Entscheidung, nun doch Koalitionsgespräche mit Netanjahu zu führen, quittierten am Montag sieben der 13 Abgeordneten seiner Partei mit einem offenen Protestschreiben. Die Dissidenten, zu denen auch Generalsekretär Eitan Cabel und der frühere Parteichef Amir Peretz gehören, kündigten an, die Arbeitspartei könne in der Koalition nicht auf ihre Unterstützung rechnen. Sollten sie ihre Drohung wahr machen und mit der Opposition stimmen, würden Netanjahu zwei Stimmen zur Mehrheit fehlen.

Auf dem Sonderparteitag der Arbeitspartei lieferten sich Gegner und Befürworter einer Regierungsbeteiligung einen heftigen Schlagabtausch. Es sei keine Schande, in der Opposition zu sitzen, sagte die einflussreiche Abgeordnete Shelly Yacimovich. Die Arbeitspartei sei in einer rechtsorientierten Regierung überflüssig. Andere Redner warnten Barak vor einem Ausverkauf und dem Verlust aller Werte der Partei. Generalsekretär Eitan Cabel erklärte: „Wir stehen vor der dramatischsten Entscheidung in den letzten sechzig Jahren.“ Der Abgeordnete Ophir Paz-Pines warf Barak vor, er habe nicht das Mandat, „die Arbeitspartei in den Mülleimer der Geschichte zu werfen“.

Neben der Arbeitspartei gehören jetzt zu Netanjahus Koalition die Likud-Partei, die ultra-orthodoxe Schas-Partei und die Rechtsaußenpartei Unser Haus Israel von Avigdor Lieberman. Dieser wird wahrscheinlich neuer Außenminister, obwohl er wegen seiner rassistischen Ansichten über Araber sowohl in Israel wie auch im Ausland sehr umstritten ist.

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