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Demonstrationen von jüdischen Siedlern vor der Knesset in Israel.

© Reuters

Israel: Netanjahus taktischer Rückzug

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hat die Legalisierung von israelischen Siedlungen im Palästinensergebiet verhindert – obwohl er den Siedlungsbau befürwortet. Wie ist dieser Schritt zu bewerten?

Das israelische Parlament, die Knesset, hat am Mittwoch mit großer Mehrheit eine Gesetzesinitiative abgelehnt, die nationalistische Koalitionsabgeordnete und oppositionelle Siedler-Repräsentanten eingebracht hatten. Die Initiative wollte die vom Obersten Gericht angeordnete Räumung von fünf auf palästinensischem Privatland illegal errichteten Mehrfamilienhäusern verhindern. Die Nationalisten wollten zusätzlich eine gesetzliche Regelung erlassen, damit alle anderen auf privaten Grundstücken von Palästinensern erstellten Wohneinheiten, über 9000 insgesamt, nachträglich legalisiert werden.

Dabei heißt es von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, er sei ursprünglich mit der Vorlage einverstanden gewesen, die insbesondere von seinem eigenen Fraktions- und Koalitionschef Zeev Elkin vorangetrieben wurde. Doch dann überwog bei ihm offenbar die Furcht vor weiterer internationaler Isolation. Außerdem hätte ein weiteres Gerichtsurteil das Gesetz als verfassungswidrig annullieren können – Netanjahu fürchtete wohl eine Schwächung seiner in dieser Frage gespaltenen Koalition. Er wandte sich also gegen den Entwurf und drohte gar Ministern, die für die Siedler-Vorlage stimmen wollten, mit Entlassung.

Doch Netanjahu ist deshalb mitnichten gegen die Siedlungsaktivitäten, im Gegenteil: Er legte einen eigenen Gegenentwurf vor, der sowohl „dem Rechtsstaat gerecht“ werden als auch die Siedlungsaktivitäten verstärken soll: Die Regierung wird die fünf Häuser in der Siedlung Beth El räumen. Nicht abreißen zwar, aber absägen und für Unsummen auf eine militärische Sperrzone innerhalb der Siedlung transferieren. Doch zusätzlich zu den fünf geräumten Häusern werden in Beth El rund 300 neue Wohnungen errichtet, grundsätzlich sollen in Zukunft für jedes abgerissene oder geräumte Siedler-Haus zehn neue erstellt werden.

Netanjahu versicherte im Vorfeld der Knessetdebatte mehrfach öffentlich und ausdrücklich gegenüber den zögernden Ministern, dass er keineswegs die Siedlungen schwächen, sondern diese im Gegenteil per Gesetz und durch intensive Bautätigkeit stärken wolle. Doch die 30 Familien in den betroffenen fünf Häusern, die Siedlerführung und -jugend trauen offensichtlich seinen Versprechungen nicht. Ein Dutzend trat vor zwei Wochen vor dem Sitz des Ministerpräsidenten zugunsten der Gesetzesinitiative ihrer parlamentarischen Repräsentanten in einen Hungerstreik, Hunderte führten einen mehrtägigen Marsch von Beth El zur Knesset auf, und alle, insgesamt 2000 Siedler und Sympathisanten, demonstrierten während der Parlamentsdebatte vor der Knesset: „Kein Jude vertreibt einen Juden“ aus seinem Haus. Netanjahus ultranationalistischer Schwager Hagai Ben-Artzi, forderte den Mann seiner Schwester per Lautsprecher auf, seinen Gegenvorschlag zurückziehen und die Siedler-Initiative zu unterstützen: „Bibi, sag dass du dich geirrt hast.“

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