zum Hauptinhalt

Israel: Netanjahus wichtigste Rede

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu will an diesem Sonntag in einer Grundsatzrede seine künftige Außenpolitik vorstellen. Mit Spannung werden vor allem die Ausführungen über einen unabhängigen Palästinenserstaat und den israelischen Siedlungsbau erwartet.

Tel Aviv - Vor der Grundsatzrede ist der Druck auf Netanjahu von allen Seiten gewachsen. Fraglich ist, wie der Vorsitzende des rechtsgerichteten Likud am Sonntag in seiner Rede in der Bar-Ilan-Universität in Ramat Gan die zum Teil völlig entgegengesetzten Interessen der neuen US- Regierung sowie seiner rechten und siedlerfreundlichen Koalitionspartner unter einen Hut bekommt.

Die jüdischen Siedler und israelischen Nationalisten sind verunsichert, die amerikanische Regierung verstimmt: Obwohl niemand den Inhalt der Rede von Netanjahu kennt, vermuten beide Seiten, dass er ihren jeweiligen Forderungen nicht entsprechen wird. Obama verlangt von Netanjahu ein verbindliches Bekenntnis zur Zwei-Staaten-Lösung, einen umfassenden Siedlungsstopp, Erleichterungen für die Palästinenser im Westjordanland und die Öffnung der Übergänge zum Gazastreifen. Geht es nach den Nationalisten in Netanjahus Koalitionsregierung und selbst in seiner eigenen nationalkonservativen Likud-Partei, so würde seine Rede aus einem vierfachen Nein zu diesen Forderungen bestehen.

Doch Netanjahu kann sich dies nicht erlauben, auch wenn er zumindest mehrheitlich mit den Verweigerern einiggeht: Er kann seine ohnehin schlechten Beziehungen zu Obama nicht zu einer offenen Konfrontation mit den USA ausweiten, und er kann auch nicht den Forderungen von Staatspräsident Schimon Peres und Verteidigungsminister Ehud Barak nach wesentlichen Konzessionen und Verhandlungsbereitschaft eine totale Absage erteilen. Netanjahu wird also – darauf deuten fast alle Anzeichen hin – die Formel von der Zwei-Staaten-Lösung nicht in den Mund nehmen und riskiert deshalb Verstimmung in Washington. Er wird es – höchstwahrscheinlich – bei der Anerkennung der Roadmap zum Frieden des von den USA angeführten Nahostquartettes belassen. Diese läuft auf das Ziel „zwei Staaten für zwei Völker“ und damit die Gründung Palästinas hinaus.

In der Frage der Siedlungsaktivitäten wird Netanjahu seine Bereitschaft zur Räumung von insgesamt noch 22 illegalen Siedlungsaußenposten erklären – im Wissen, dass die rücksichtslosen Jungsiedler nicht nur jeden einzelnen sofort wiederaufbauen werden, sondern planen, weitere zu errichten. Und er dürfte andererseits nur einen begrenzten Siedlungsbaustopp verkünden: Der „natürliche Zuwachs“ der kinderreichen Siedlerfamilien müsse in größeren Siedlungen berücksichtigt und mittels beschränktem Bauvolumen beantwortet werden.

Um nicht als friedensfeindlicher Neinsager und alleinverantwortlich für den politischen Stillstand dazustehen, wird Netanjahu erneut seine angeblich bedingungslose Bereitschaft zur sofortigen Wiederaufnahme der Verhandlungen mit den Palästinensern verkünden. In Wirklichkeit aber stellt er Vorbedingungen an deren Adresse: Gegenseitigkeit bei Einhaltung der ausgehandelten Verpflichtungen, totalen Gewaltstopp und Anerkennung der Existenz und des jüdischen Charakters Israels. Charles Landsmann

Charles Landsmann

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false