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Israel: Siedlungen bauen bis zur letzten Sekunde

Benjamin Netanjahu, Israels Regierungschef, bewilligt hunderte neue Wohnungen in den besetzten Gebieten – bevor die USA nächste Woche einen Siedlungsstopp festzurren wollen.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu will den Siedlungsbau bis zur buchstäblich letzten Minute vorantreiben: Bevor das Abkommen mit den USA über einen vorläufigen Siedlungsstopp endgültig unterschrieben wird, will er hunderte neue Baubewilligungen erteilen. Dies soll die Nationalisten in seiner Partei und Regierung beruhigen.

Netanjahu wird als erster Ministerpräsident der nationalkonservativen Likud-Partei einem Siedlungsstopp zustimmen. „Ein großer Schritt für den Likud, aber nur ein kleiner für die Menschheit“, spottete der Kommentator der größten israelischen Zeitung „Yedioth Ahronoth“. Der Siedlungsstopp ist allerdings nur vorläufiger Natur und keineswegs umfassend, nimmt er doch in Bau befindliche Gebäude aus.

Nächste Woche werden bei den Gesprächen mit dem amerikanischen Sonderbotschafter für den Nahen Osten, George Mitchell, in Jerusalem die letzten Details ausgehandelt und die Übereinkunft unterschriftsreif gemacht für Ende des Monats. Dann soll US-Präsident Barack Obama wohl am Rande der UN-Generalversammlung sowohl mit Netanjahu als auch Palästinenserpräsident Mahmud Abbas zusammentreffen.

Ebenfalls nächste Woche wollen sich die Gegner jeder Art von Siedlungsstopp innerhalb von Netanjahus Likud zusammensetzen und über ihr weiteres Vorgehen beraten. An dem Treffen dürften mindestens drei Minister und rund ein Drittel aller Likud-Abgeordneten teilnehmen. Sie verkünden bereits jetzt: Netanjahu wird mit einem Siedlungsstopp weder in der Regierung noch in der Partei durchkommen. Doch in der Knesset würde ein solches Abkommen dank der Oppositionsparteien der Mitte und der Linken eine große Mehrheit hinter sich vereinigen, und dass die deutliche Mehrheit der Bevölkerung ihm zustimmen würde, steht ebenfalls außer Frage.

Doch Netanjahu ist sich der internen Opposition in Partei, Fraktion und Regierung, in der die Nationalisten ein deutliches Übergewicht haben, durchaus bewusst. Deshalb hat er nun verkündet, er werde „den (Siedlungs-)Bau im Westjordanland einfrieren, aber zuvor noch hunderte Wohneinheiten bewilligen“. Diese mehreren hundert Wohnungen will er den rund 2500 bereits im Bau befindlichen Wohnungen zuschlagen, die vom Siedlungsstopp ausgenommen werden sollen.

Die USA empfinden Netanjahus Vorgehen als inakzeptable Provokation. Mitchell hat im Namen der amerikanischen Regierung bereits mitteilen lassen: „Wir stimmen keinem Siedlungsbau im Westjordanland und Ostjerusalem zu.“ Saeb Erakat, der palästinensische Chefunterhändler und Begleiter von Präsident Abbas in Paris, erklärte in einer Stellungnahme zu Netanjahus Absichten: „Nicht der Siedlungsbau wird gestoppt, sondern der Friedensprozess.“

In Jerusalem ist man sich aber sicher, dass in der Übereinkunft die in Bau befindlichen Wohnungen und Gebäude vom Baustopp ausgenommen werden. Einig ist man sich auch zwischen Washington und Jerusalem über den vorläufigen Charakter des Baustopps, nicht aber über dessen zeitliche Länge. Letztlich dürfte er aber wohl nur mehrere Monate gültig sein.

In dieser Zeit müssen die arabischen Staaten gemäß Obamas Forderung vertrauensbildende Maßnahmen gegenüber Israel ergreifen. Es geht um die Wiedereröffnung israelischer Interessenbüros in Golf- und nordafrikanischen Staaten, Überflugs- und Zwischenlandungsbewilligungen für israelische Flugzeuge, Öffnung der Märkte für israelische Güter. Das gilt als relativ unwahrscheinlich als Gegenleistung für einen temporären Baustopp. Falls der gegenteilige Fall doch einträte, die arabischen Staaten also tatsächlich Israel entgegenkämen, müsste der vorläufige, teilweise Baustopp in einen unbegrenzten, also unbefristeten und umfassenden umgewandelt werden – was Netanjahu politisch kaum überleben würde.

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