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Israels Premier Benjamin Netanjahu verteidigt das Gesetz. Es sei ein wichtiges Mittel, um "Transparenz" zu schaffen.

© Ronen Zvulun/Reuters

Israel: Strenge Auflagen für Nichtregierungsorganisationen

Regierungskritische NGOs in Israel müssen künftig ihre Finanzen offenlegen. Das wird in einem neuen Gesetz geregelt. Die Empörung ist groß - auch in Deutschland.

Mehr als ein Jahr lang hat Israel über den Gesetzentwurf gestritten. Nach einigen Abschwächungen und einer sechsstündigen Debatte in der Knesset wurde das Transparenzgesetz für Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in der Nacht zum Dienstag dann doch mit 57 zu 48 Stimmen verabschiedet. Kritiker sehen darin vieles – nicht aber eine neue Regelung, die für mehr Transparenz hinsichtlich der Finanzierung von NGOs führen wird.

„Es geht nur darum, Menschenrechtsorganisationen zu brandmarken, sie als Verräter und Stellvertreter ausländischer Interessen bloßzustellen. Es ist Teil einer größeren Kampagne, jede kritische Stimme, die gegen die Besatzung und die Politik der Regierung ist, zum Schweigen zu bringen“, sagt Yehuda Shaul von der Veteranenorganisation Breaking the Silence. Die Initiatorin des Gesetzes, Justizministerin Ajelet Shaked von der rechtsnationalen Siedlerpartei „Das jüdische Haus“, hatte dagegen immer wieder betont, dass es ihr bei dem Gesetz vor allem um Transparenz gehe.

NGOs, die mehr als die Hälfte ihrer Gelder von ausländischen Regierungen erhalten, müssen dies in ihren Berichten und Publikationen von nun an offenlegen. Wer dagegen verstößt, soll 29.200 Schekel (umgerechnet etwa 6800 Euro) Strafe zahlen. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu befürwortet das Gesetz ebenfalls. Es „wende die absurde Situation ab, in der ausländische Staaten sich in die internen Angelegenheiten Israel einmischen, indem sie NGOs finanzieren, ohne, dass Israels Öffentlichkeit davon weiß“.

Private Geldgeber werden nicht erfasst

Laut einer vorläufigen Liste sind 27 NGOs betroffen, fast alle sind Menschenrechtsorganisation. Private Gruppen jedoch, die politisch eher rechts und auf der Seite der Siedlerbewegung stehen, sind vom Gesetz nicht betroffen. Genau das ist es, was viele Kritiker für unfair halten: „Wir sind ja schon heute transparent. Es gibt ja bereits ein Gesetz, Spenden von mehr als 20.000 Schekel müssen wir offenlegen“, sagt Yehuda Shaul von Breaking the Silence.

Auch in Deutschland kommt die neue Regelung nicht gut an. So findet der Grünen-Politiker Volker Beck: „Das Gesetz nimmt einseitig regierungskritisch orientierte NGOs ins Visier, während rechte Gruppen oder die Siedlerbewegung, die ebenfalls aus dem Ausland finanziert werden, aber private Geldgeber haben, strukturell nicht erfasst werden.“

Hier seien Millionen Euro oder Dollar von keiner Transparenzanforderung betroffen, die einen großen, wenn nicht größeren Einfluss auf die Lebensrealität in Israel hätten, sagt der Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe des Bundestags. Diese hatte schon vor der Abstimmung in der Knesset die Regierung in Jerusalem schriftlich aufgefordert, das Gesetz nicht zu verabschieden. Beeindruckt hat das die israelischen Abgeordneten offenkundig wenig.

Justizministerin Ajelet Shaked von der Siedlerpartei "Jüdisches Haus" hat die neuen Regeln initiiert.
Justizministerin Ajelet Shaked von der Siedlerpartei "Jüdisches Haus" hat die neuen Regeln initiiert.

© Gali Tibbon/AFP

Einschüchtern lassen wollen sich die NGOs zwar nicht. Für sie wird die Arbeit zunächst wohl wie gewohnt weitergehen. Doch die Gefahr ist groß, dass sie immer weniger Gehör in der israelischen Gesellschaft finden. „Öffentliche Demütigung“ nennt das Sarit Michaeli, die Pressesprecherin der NGO Betselem, die ebenfalls auf der Liste steht. „Wir werden als Vertreter ausländischer Interessen beschrieben, die gegen die israelische Gesellschaft und deren Interessen arbeiten. Damit versucht die Regierung, uns zu diffamieren und diskreditieren, bis uns die Öffentlichkeit nicht mehr zuhört und die Leute Angst haben, mit uns in Verbindung gebracht zu werden.“

Die Folgen diese Hetze seien bereits zu spüren, sagt Yehuda Shaul. Die Angriffe auf Breaking the Silence vonseiten der Bevölkerung hätten derart zugenommen, dass zwischenzeitlich sogar einen Wachmann vor dem Büro eingesetzt wurde. Er sieht das Gesetz als Teil einer größeren politischen Veränderung im Land: „Dadurch werden die letzten übrig gebliebenen Schnipsel Liberalismus und Demokratie in Israel vernichtet.“

Gesetz in "Putin'schem Geist"

Ähnlich urteilt auch Volker Beck: „Das Gesetz schadet Israels Charakter als jüdischer und demokratischer Staat.“ Der Grünen-Politiker erkennt zwar an, dass die verabschiedete Regelung abgeschwächt wurde im Vergleich zum ursprünglichen Entwurf. „Trotzdem bleibt das Gesetz in seinem Putin’schen Geist ein falsches Projekt.“

Nur mittelbar von dem Gesetz betroffen sind deutschen Stiftungen, die mit einem Büro in Israel vertreten sind – und zwar nur dann, wenn sie mit solchen israelischen NGOs kooperieren, die auf der Liste stehen. „Vermutlich sind auch einige der Organisationen dabei, mit denen wir zusammenarbeiten“, so Kerstin Müller, Leiterin der Heinrich-Böll-Stiftung in Tel Aviv. Auch sie begrüßt, dass das beschlossene Gesetz immerhin eine Abschwächung des ursprünglichen Entwurfes ist und Vertreter von NGOs in Parlaments- und Regierungssitzungen zum Beispiel doch keine speziellen Plaketten tragen müssen. Dennoch sieht auch sie das Gesetz kritisch. „Ich denke, dass zukünftig ein schärferer Wind wehen könnte.“

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