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Israel: Die Gefahr aus den Nachbarstaaten

Umgeben von Unwägbarkeiten. Israel fühlt sich von seinen Anrainerstaaten bedroht, weil die Situation in den Ländern so unsicher ist - und zwar nicht nur in Syrien. Doch wie ernst ist die Gefahr wirklich?

Libanon

Das Verhältnis zum Zedernstaat lässt sich auf einen einfachen Nenner bringen: Im Norden nichts Neues. Seit Jahrzehnten gilt der Libanon als Hisbollah-Land, also als potenzielle Gefahr für die Sicherheit Israels. Denn die mächtige, von Syrien und vor allem dem Iran militärisch hochgerüstete Schiitenmiliz ist ein erklärter Feind des jüdischen Staates. Zigfach hat die „Partei Gottes“ in der Vergangenheit die ihr verhassten „Zionisten“ mit Aktionen wie Raketenbeschuss provoziert.

Oft genug führte das zu regelrechten Kriegen mit zahlreichen Opfern, vor allem unter der Zivilbevölkerung. Für Jerusalem steht ohnehin fest, dass die Hisbollah – 1982 als Widerstandsgruppe gegen Israels Einmarsch im Libanon gegründet – nichts anderes ist als eine Terrororganisation. Als solche schrecke sie auch nicht vor Anschlägen im Ausland zurück. Erst vor gut einem Jahr kamen in Bulgarien mehrere israelische Touristen durch eine Bombe ums Leben. Sowohl die Regierung in Sofia als auch Sicherheitsexperten machen die Hisbollah für den tödlichen Angriff verantwortlich. Auch deshalb hat die Europäische Union beschlossen, zumindest den „militärischen Arm“ der Schiitenmiliz auf ihre Terrorliste zu setzen. Allerdings gab es erhebliche Vorbehalte bei einigen EU-Mitgliedern. Denn Hisbollah-Mitglieder bekleiden Ministerposten in der libanesischen Regierung, gehören also zum einflussreichen politischen Establishment und sind fest in der Gesellschaft verankert. Aus Israels Sicht macht das die „Partei Gottes“ zu einem noch gefährlicheren Feind. Und den Libanon zu einer ständigen Bedrohung.

Ägypten

Muslimbrüder oder Militärs – was ist besser für Juden? Offizielle Stellen in Israel haben sich gleichermaßen bewusst wie geschickt nicht zum Putsch der Offiziere und der damit einhergehenden Absetzung von Präsident Mohammed Mursi geäußert. Kein Wunder. Der inzwischen unter Hausarrest stehende Islamist war aus Sicht Jerusalems alles andere als ein Wunschpartner. Dass er vom Volk gewählt wurde, musste als demokratische Entscheidung akzeptiert werden.

Doch ihn als lupenreinen Demokraten anzuerkennen, kam in Israel auch keinem in den Sinn. Zumal Mursi in der Vergangenheit mit antiisraelischen und antizionistischen Ausfällen aufgefallen war. Dennoch versicherte er nach seinem Machtantritt, den Friedensvertrag einhalten zu wollen. Und an das Versprechen hat sich der inzwischen in Untersuchungshaft sitzende Staatschef gehalten. Zudem versuchte Mursi, Ende des Jahres 2012, im mehrtägigen Gazakrieg zwischen Israel und der Hamas zu vermitteln – wohl wissend, dass dies vor allem seine eigene Position in der islamischen Welt stärken würde.

Aber zugleich signalisierte er Jerusalem, kein Interesse an einer Ausweitung des Konflikts zu haben. Gleiches dürfte für die jetzt de facto herrschende ägyptische Armee gelten. Nüchtern analysierend wird den Offizieren wie schon zu Zeiten Hosni Mubaraks klar sein, dass es zum Friedensvertrag keine vernünftige Alternative gibt.

Syrien und Jordanien

Syrien

Wenn das Gespräch auf den blutigen Bürgerkrieg kommt, dann verdüstern sich bei den Verantwortlichen im israelischen Außen- und Verteidigungsministerium rasch die Gesichter. Der Kampf zwischen Assads Truppen und den Aufständischen stellt aus Sicht von Politikern und Militärs derzeit eine der größten Gefahren für die eigene Sicherheit dar. Aus vielerlei Gründen.

Da ist zum Beispiel die Tatsache, dass die Gefechte immer wieder auf israelisches Territorium übergreifen. Deshalb hat man vor kurzem beschlossen, die Präsenz der Armee auf den Golanhöhen deutlich auszuweiten. Eine eigens gebildete Division soll dort künftig stationiert werden und Verletzungen der Waffenstillstandslinie möglichst verhindern. Schließlich hat Baschar al Assad mehrfach damit gedroht, womöglich den Golan als Einfallstor für Extremisten zu nutzen.

Noch heftigere Kopfschmerzen bereiten der israelischen Regierung die Chemiewaffenvorräte des Regimes in Damaskus. Sollten diese in falsche Hände fallen oder ein in die Enge gedrängter Machthaber von den Kampfstoffen Gebrauch machen – die Folgen wären unabsehbar. Ähnliches gilt für die ferne Zukunft. Denn die Befürchtung ist groß, dass im Syrien nach Assad Islamisten das Sagen haben könnten. Eine Art Taliban-Staat an der Grenze? Das wäre für Israel ein Ernstfall.

Jordanien

Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen, Kooperationen zum Beispiel bei Projekten zur Wassergewinnung – und ein Friedensvertrag. Wenn es um den Nachbarn Jordanien geht, braucht sich Israel kaum Sorgen zu machen. Eigentlich. Doch bei näherer Betrachtung wird rasch klar: Auch Jordanien ist sicherheitspolitisch betrachtet ein unsicherer Kantonist. Denn die <CF152>Verlässlichkeit der Beziehungen hängt vor allem von der Stabilität des Königshauses ab.

Noch wagt es keine politische Kraft, ernsthaft am Thron von Abdullah II. zu sägen. Doch der seit 1999 herrschende Monarch kann sich trotz aller Reformbemühungen seiner Macht nicht sicher sein. Zum einen ist er gerade bei den Beduinenstämmen weniger anerkannt als sein Vater Hussein. Zum anderen setzen ihn die Muslimbrüder zunehmend unter Druck. Die Islamisten haben sich zwar aus der Regierung zurückgezogen, gelten aber als einflussreiche, am besten organisierte politische Kraft. Und im Hintergrund versucht die sunnitische Organisation, mithilfe sozialer Einrichtungen ihre Beliebtheit in der Bevölkerung zu vergrößern – erfolgreich, wie auch westliche Diplomaten zugeben.

Für Israel könnte dadurch eine gefährliche Situation entstehen. Denn die Muslimbrüder stellen den Friedensvertrag mit dem Nachbarn infrage. Und profitieren von der antiisraelischen Stimmung im Land. In Jordanien leben mehrere Millionen Palästinenser, die in den vergangenen Jahrzehnten aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Dass ihnen Israel deshalb verhasst ist, liegt auf der Hand. Bislang gelingt es König Abdullah, diese Kräfte zu bändigen. In Jerusalem fragt man sich allerdings: Wie lange noch?

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