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Hand drauf. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Israels Premierminister Benjamin Netanjahu bekräftigen bei ihrer Pressekonferenz am Donnerstag die tiefe Verbundenheit zwischen beiden Ländern.

© Wolfgang Rattay/Reuters

Israelische Siedlungspolitik: Merkel und Netanjahu: "Einig, dass wir uns nicht einig sind"

Die Freundschaft zu Israel wird Deutschland niemals aufkündigen - doch Freunde dürfen streiten. Und so macht die Kanzlerin Druck auf Netanjahu wegen dessen Siedlungspolitik. Aber der bleibt hart.

Von Hans Monath

Harmonie und Herzlichkeit trotz schwerer Konflikte und gegenseitiger Kritik – um diese positive Botschaft hat sich Regierungschef Benjamin Netanjahu zum Abschluss der deutsch-israelischen Regierungskonsultationen bemüht. „Thank you, Angela“, sagte Netanjahu am Donnerstag bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit der deutschen Regierungschefin Angela Merkel im Kanzleramt an die Adresse der Gastgeberin: „Danke, dass du mich so warmherzig willkommen geheißen hast.“ Er sehe die Kanzlerin „als einen Freund, als einen Partner für den Frieden im Nahen Osten“.
Trotz der warmen Worte stand angesichts der Vorgeschichte des Besuchs eine Spitzenbegegnung im Kanzleramt selten unter schlechteren Vorzeichen. Die Bundesregierung, die schon lange enttäuscht ist über die mangelnde Kooperationsbereitschaft Netanjahus gegenüber den Palästinensern, hatte dessen Entscheidung zum Bau von mehr als 3000 Wohnungen auf palästinensischem Territorium scharf kritisiert.
Umgekehrt hatte der Premierminister seinem Ärger in einem diplomatischen Affront öffentlich Luft gemacht: Von Merkel persönlich sei er „enttäuscht“, sagte er am Tag der Ankunft in Berlin am Mittwoch. Die deutsche Enthaltung in der Vollversammlung der Vereinten Nationen bei der Abstimmung über Palästinas Aufwertung zum UN-Beobachterstaat habe den Friedensprozess „zurückgeworfen“, kritisierte Netanjahu. Die De-facto-Anerkennung des Palästinenserstaates durch eine Mehrheit der UN-Mitglieder verglich er bei einem Besuch in Prag mit dem Münchener Abkommen, dem Kernstück der Appeasement-Politik gegen Adolf Hitler.
Auf Netanjahus Vorwürfe gegen sie ging Merkel erst ein, als sie danach gefragt wurde. „Ich habe das gelesen, ich habe das zur Kenntnis genommen“, sagte sie ohne jede Wertung und verteidigte die deutsche Enthaltung: „Das war sehr wohlüberlegt.“ Die Regierung habe nicht mit Nein gestimmt, weil sie im Nahen Osten nicht auf „einseitige Maßnahmen“ setze. Die palästinensische Seite habe aber „eine gewisse Bewegung“ hin zur Anerkennung Israels gezeigt. Laut Merkel hatte sie dem Gast gegenüber bei einem Abendessen am Mittwochabend wiederholt, „dass die Sicherheit Israels Teil der deutschen Staatsräson ist“.

Die Kanzlerin bekräftigte das deutsche Eintreten für eine Zwei-Staaten-Lösung, was als Mahnung an Netanjahu verstanden werden konnte. „Einseitige Maßnahmen“ würden Verhandlungen über eine solche Lösung im Weg stehen und müssten vermieden werden, meinte sie: „Das führt dann auch dazu, dass wir uns in der Siedlungsfrage einig sind, dass wir uns nicht einig sind.“ Weiter vertiefen wollte Merkel das Thema bei der Pressekonferenz offenbar nicht. Auf die Frage, ob Deutschland gegenüber Israel reagieren werde, wenn dessen Regierung in der Siedlungsfrage hart bleibe, meinte sie: „Ich bin niemand, der droht.“ Netanjahu verteidigte die Ankündigung neuer Siedlungsbauten in einer für die Palästinenser strategisch wichtigen Region bei Jerusalem offensiv: „Es handelt sich nicht um eine neue Politik“, kommentierte er die Entscheidung, die scharfe Proteste der USA und von EU-Staaten provoziert hatte. Er versicherte, seine Regierung wolle eine Zwei-Staaten-Lösung, die brauche aber Zeit.

Den Dissens mit Merkel relativierte Netanjahu: „Unter Freunden darf man auch unterschiedliche Meinungen haben.“ Er wisse, wie wichtig für die deutsche Politik die Beziehung zu Israel sei, sie sei „eine Beziehung, die wir tief empfinden, und die du tief empfindest“, meinte er an Merkel gewandt: „Ich möchte die Gelegenheit ergreifen, um absolut deutlich zu machen, dass ich überhaupt keinen Zweifel habe, wie tief deine Verpflichtung gegenüber der Sicherheit und dem Wohlergehen des Staates Israel geht.“

Die harmonischen Worte und freundlichen Fotos der Begegnung dürften dem israelischen Gast auch im bevorstehenden Wahlkampf nützlich sein. Die meisten Israelis betrachteten die Bundesregierung als einen unentbehrlichen Freund, sagte der frühere israelische Botschafter in Berlin, Avi Primor, im TV-Sender Phoenix: „Netanjahu kann es sich nicht leisten, mit Deutschland zu streiten.“ Primor kritisierte, die israelische Regierung verlange sehr viel von den Deutschen, ohne deren Kritik ernst zu nehmen, und gefährde so die Freundschaft: „Rücksicht nehmen wir nicht, also irgendwann kann das nicht mehr halten.“

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