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Israelreise: „Namen der Opfer niemals auslöschen”

Beim Besuch der Gedenkstätte in Jad Vaschem trifft der Papst auch auf Überlebende des Holocaust. Benedikt XVI. geht indirekt auch auf den Skandal um Bischof Williamson ein.

Scheu streichelt Benedikt XVI. ihren linken Arm, schaut sie an, hört ihr intensiv zu. Nur ein paar Sätze Zeit hat die kleine, weißhaarige Frau an diesem Nachmittag, um dem Papst aus ihrem Leben zu erzählen. Zusammen mit fünf weiteren Überlebenden des Holocaust sitzt Gita Kalderon auf den Ehrenplätzen in der "Halle der Erinnerung“ von Jad Vaschem, der Holocaust-Gedenkstätte in Jerusalem. Jeden einzelnen von ihnen begrüßt das katholische Oberhaupt während dieser christlich-jüdischen Feierstunde in dem fensterlosen Raum. Die Wände sind aus groben Steinblöcken gemauert. Neben einer erhöhten Grabplatte, unter der die Asche von Opfern des Holocaust liegt, brennt die ewige Flamme. In den Fußboden sind die Namen der Konzentrationslager in Erz gegossen.

Die 83-Jährige Rita Kalderon ist ein Jahr älter als Joseph Ratzinger, sie stammt aus dem heutigen Bitola in Mazedonien. 1944 verhafteten die Deutschen die junge Frau und verschleppten sie nach Auschwitz. Als die Rote Armee heranrückte, brachte man sie nach Bergen-Belsen und Mauthausen. Typhuskrank und völlig abgemagert kehrte sie nach ihrer Befreiung auf den Balkan zurück. Niemand aus ihrer Familie war mehr am Leben, alleine wanderte sie 1948 aus nach Israel.

"Mögen die Namen der Opfer niemals ausgelöscht werden”, mahnte der deutsche Papst in seiner Ansprache. "Möge ihr Leiden niemals geleugnet, in Misskredit gebracht oder klein geredet werden“ – eine eindeutige Anspielung auf den jüngsten Skandal in den eigenen Reihen, als der Vatikan die Exkommunikation des Holocaust-Leugners und Traditionalistenbischofs Richard Williamson aufhob und fast 14 Tage brauchte, um von ihm zu verlangen, sich auf "unzweideutige und öffentliche Weise von seinen Stellungnahmen zur Schoah“ zu distanzieren. In einem Schreiben an alle katholischen Bischöfe bedauerte der Papst anschließend "zutiefst“, dass der Vorgang "den Frieden zwischen Christen und Juden wie auch den Frieden in der Kirche für einen Augenblick gestört“ habe.

Keine einfache Entscheidung

Für eine der Holocaust-Überlebenden, die 1923 in Prag geborene Ruth Bondy, war dies Grund genug, einer Begegnung mit dem deutschen Pontifex erst nach einigem Zögern zuzustimmen. Es sei für sie keine einfache Entscheidung gewesen, der Einladung zu folgen und dem Papst "an der Stelle von sechs Millionen Toten“ die Hand zu schütteln, vertraute die in Tel Aviv lebende Buchautorin im Vorfeld Journalisten an. Da das Ereignis "für den Staat Israel und für die Gedenkstätte Jad Vaschem sehr wichtig“ sei, habe sie zugestimmt.

Ruth Bondy war während der Nazizeit in Theresienstadt, Auschwitz und in Lagern bei Hamburg interniert. Bei ihrer Befreiung in Bergen-Belsen 1945 wog sie nur noch 35 Kilo und litt an Typhus. 1997 veröffentlichte sie ihre Autobiografie, die auf Deutsch unter dem Titel "Mehr Glück als Verstand“ erschien.

"Ich bin gekommen, um in Stille vor diesem Mahnmal zu stehen, das an die Millionen von Juden erinnert, die in der schrecklichen Tragödie der Schoah ermordet wurden“, erklärte der Papst, nachdem er einen Kranz mit weiß-gelben Blumen niedergelegt und einige Momente im Gebet verharrt hatte. Sechs Millionen Menschen hätten "ihr Leben verloren, aber sie werden niemals ihre Namen verlieren“, sagte er. "Wir stehen hier in Stille, und ihr Schreien findet immer noch ein Echo in unseren Herzen.“ Ihre Namen seien unlöschbar eingraviert in den Herzen ihrer Familien und in den Herzen aller, "die entschlossen sind, nie wieder eine solche monströse Tat zur Schande der Menschheit zuzulassen“.

Bereits bei seiner Ankunft auf dem Flughafen in Tel Aviv am Mittag hatte Benedikt XVI. deutliche Worte gewählt und vor dem Aufkeimen eines neuen Antisemitismus in der Welt gewarnt. Traurigerweise zeige der Judenhass "sein hässliches Gesicht immer noch in vielen Teilen der Welt“, beklagte der 82-jährige Pontifex. Das sei völlig unakzeptabel. Es müsse alles unternommen werden, "dass jeder Mensch – egal von welchem Volk oder welchem Stamm, egal welcher Sprache oder welcher Nation – Respekt und Wertschätzung erfährt“.

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