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Israels Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit fordert Netanjahu heraus.

© Gali Tibbon, AFP

Israels Generalstaatsanwalt Mandelblit: Der Mann, der Netanjahu stürzen könnte

Einst waren sie Vertraute. Nun muss Avichai Mandeblit als Generalstaatsanwalt über eine Anklage gegen Israels Premier entscheiden. Wer ist der Mann?

Angeschlagen wirkte Benjamin Netanjahu vergangene Woche – und war es wohl auch. So sehr, dass er Termine verschob und viel zu Hause war.

Genau zu dieser Zeit wählte seine Partei bei den Vorwahlen seinen schärfsten Konkurrenten Gideon Saar auf Platz vier der Liste für die Parlamentswahlen am 9. April – trotz Netanjahus Warnungen, Saar plane ein Komplott gegen ihn und wolle nach der Wahl die Führung übernehmen.

Einer, der gemütlich wirkt, aber sich nicht beirren lässt

Obendrein hat Israels Regierungschef mit dem früheren Armeechef Benny Gantz einen Konkurrenten bekommen, der mit seiner Partei „Widerstandskraft für Israel“ in den Umfragen überraschend dicht hinter dem Likud liegt. Israels Premier ist gestresst.

Dabei lauert die wahre Gefahr für ihn weniger auf politischer Bühne, sondern vielmehr fernab der Öffentlichkeit – im Büro des Generalstaatsanwalts, wo sich derzeit die Ermittlungsakten der Polizei in drei Fällen stapeln.

Dort sitzt ausgerechnet der Mann, den Netanjahu einst zum Kabinettssekretär und damit zum engen Vertrauten machte. Er könnte in seinem jetzigen Job eine Zäsur herbeiführen: Avichai Mandelblit, 55 Jahre alt, schwarzer Kippa, angegrauter Bart. Ein Mann, der ruhig und gemütlich wirkt und zurückhaltend, aber bestimmt auftritt.

Als Generalstaatsanwalt ist er derjenige der entscheiden muss, ob der Premier wegen Korruption auf der Anklagebank landet oder nicht. Mandelblit kann die Aufgabe nicht delegieren, egal wie nah er dem Premier einst war.

Das Grab des Vaters wurde geschändet

Und der 55-Jährige muss einiges aushalten. Der Druck von allen Seiten ist so groß, dass im Dezember sogar die Sicherheitsmaßnahmen für ihn herum erhöht. Zuvor hatten Vandalen das Grab seines Vaters geschändet.

Die einen wollen eine Anklage gerne verhindern, unter ihnen auch der Ministerpräsident selbst, der immer wieder seine Unschuld beteuert. Netanjahu unterstellt den „Linken“ und den Medien, den Generalstaatsanwalt zu einer Anklage zu drängen.

Mandelblit wurde auch vorgeworfen, dass er sich in den Wahlkampf einmische, wenn er seine Entscheidung vor dem Abstimmungstag bekannt gibt. Doch Mandelblit bleibt standhaft.

Früher saßen Benjamin Netanjahu (l.) und Avicai Mandelblit gemeinsam am Kabinettstisch.
Früher saßen Benjamin Netanjahu (l.) und Avicai Mandelblit gemeinsam am Kabinettstisch.

© Gali Tibbon/Reuters

Einer entsprechenden Anfrage von Netanjahus Anwälten erteilte er eine Absage, um sich nicht Möglichkeit nehmen zu lassen, Netanjahu auch vor dem 9. April zu einer Anhörung vor Anklageerhebung vorzuladen. Berichten zufolge arbeiten die Rechtsvertreter des Premiers aber weiter hartnäckig daran, den Termin für die Bekanntgabe hinauszuzögern. Anderen wiederum geht es mit einer Entscheidung nicht schnell genug. Sie protestierten deshalb monatelang vor Mandelblits Haus in Petach Tikwa. Der ließ wissen, er arbeite so schnell wie möglich. Aber eben auch professionell, sprich: gründlich.

Mandelblit gilt als Mann, der sich nur dem Recht verpflichtet fühlt – unabhängig von politischen Interessen. Dass er sich nicht einschüchtern lässt, hat er bereits in seiner Zeit beim Militär bewiesen.

Der Generalstaatsanwalt ist auch Berater der Regierung

So klagte er als militärischer Generalstaatsanwalt drei Soldaten wegen Fehlverhaltens im Einsatz an. Für manche galt er damit als Verräter. Das Wort wurde in schwarz auf seine Hauswand gesprüht.

Selbst in jüdisch-reformierten Kreisen spricht man positiv über den orthodoxen Juden, der erst mit Mitte 20 fromm wurde. Der Vater von sechs Kindern war maßgeblich an der Aushandlung eines Kompromisses im Streit um die Gebetsbereiche vor der Klagemauer beteiligt, der allerdings vorerst auf Eis gelegt wurde.

Vertraute bezeichnen Mandelblit Berichten zufolge als aufrichtig und fair. „Ich gehe davon aus, dass er seine Entscheidung auf professionelle Weise treffen wird“, sagt Guy Lurie, Rechtsexperte am Israelischen Demokratieinstitut.

Er verweist auf die besondere, unpolitische Rolle des Generalstaatsanwalts in Israel: „Es handelt es sich um ein berufliches Amt, nicht um eine politisch gewählte Figur wie beispielsweise in den USA.“ Ein Gremium, teilweise bestehend aus Rechtsexperten, erstellt eine Kandidatenliste. Am Ende ernennt die gesamte Regierung den Generalstaatsanwalt, nicht der Premier allein.

Kritik gibt es ab und an, wenn es um die Aufgabenverteilung angeht: Schließlich ist der Generalstaatsanwalt nicht nur für Anklagen von Amtsträgern zuständig, sondern ist gleichzeitig auch rechtlicher Berater und Vertreter der Regierung.

Kann das gut gehen: Ein Anwalt, der diejenigen, die er vertritt, gleichzeitig anklagt? „Spannungen könnten entstehen“, bestätigt Lurie. „Doch nicht zu vergessen: Er ist nicht der Berater einzelner Minister oder Netanjahus, sondern vielmehr der Institutionen.“

Hochrangige Politiker mussten bereits in Gefängnis

So weigerte sich Mandelblit 2017, das von der Regierung verabschiedete Gesetz zur nachträglichen Anerkennung jüdischer Siedlungen auf palästinensischem Land zu verteidigen – er nannte es verfassungswidrig. Die Regierung musste für diese Aufgabe einen privaten Anwalt engagieren.

Dass Generalstaatsanwälte in Israel nicht davor zurückschrecken, auch hochrangige Politiker anzuklagen, zeigen Beispiele aus der Vergangenheit. Auch der ehemalige Regierungschef Ehud Olmert wurde wegen Bestechung und Untreue verurteilt, der ehemalige Präsident Moshe Kazav saß wegen Vergewaltigung hinter Gittern, Innenminister Arje Deri, weil er Bestechungsgelder angenommen hatte.

Wie es mit Netanjahu weitergeht, wird sich zeigen, wenn Mandelblit seine Pläne bekannt gibt. Rechtsexperten rechnen allerdings mit einem langwierigen Prozess, sollte es zu einer Anklage kommen: Bevor die offizielle Anklageschrift überhaupt eingereicht wird, hat Netanjahu das Recht, seine Position in einer Anhörung zu schildern. Der hat ohnehin schon mehrfach angekündigt, im Amt bleiben zu wollen – selbst, wenn er angeklagt wird.

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