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Benjamin Netanjahu, Ministerpräsident von Israel, präsentiert bei einer Pressekonferenz Bilder aus einem "geheimen Atomarchiv" in Teheran, die Israels Geheimdienst aufgespürt habe.

© Sebastian Scheiner/AP/dpa

Israels Vorwürfe an den Iran: Trittin wirft Netanjahu "Geheimdienstshow" vor

Nur die USA schließen sich bisher Israels Anschuldigungen gegen den Iran an: Die Internationale Atomenergiebehörde widerspricht, Europa ist auch skeptisch - und will das Atomabkommen erhalten.

Nach den neuen Vorwürfen Israels an den Iran um Zusammenhang mit einem angeblichen Geheimprogramm zur Entwicklung von Nuklearwaffen verschärft sich der Streit um das Schicksal des Atomvertrages von 2015. Der Iran und die internationale Atombehörde IAEA wiesen Angaben des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu zurück, der Iran arbeite trotz des Atomvertrages an einer Nuklearwaffen. US-Präsident Donald Trump bekräftigte seine Kritik am Iran und deutete erneut einen Ausstieg aus der Vereinbarung an.

Netanjahu hatte am Montagabend im israelischen Fernsehen erklärt, der Geheimdienst seines Landes habe ein Atomarchiv der Iraner in seinen Besitz gebracht, das die fortgesetzen nuklearen Ambitionen Teherans belege. Er berief sich auf Zehntausende Dokumente, die aus einem „geheimen Atomarchiv“ des Iran stammen sollen.

Der Iran wies dies zurück. Auch die IAEA erklärte, es gebe „keine glaubwürdigen Hinweise“ auf ein geheimes iranisches Atomwaffenprogramm und die von Netanjahu erwähnten angeblichen Machenschaften der Iraner. Das erklärte ein Sprecher am Dienstag in Wien. Ähnlich äußerte sich die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Auch die Bundesregierung äußerte sich zurückhaltend.

Die USA schlossen sich den Vorwürfen an. Irans „Betrug“ stehe im Widerspruch zu seinem Versprechen, unter keinen Umständen Atomwaffen zu entwickeln oder zu erwerben, sagte US-Außenminister Mike Pompeo. Seine Regierung prüfe deshalb, was die Entdeckung der Dokumente für die Zukunft des Abkommens bedeute. US-Präsident Donald Trump hat die internationale Vereinbarung mit dem Iran wiederholt scharf kritisiert und damit gedroht, sie vollständig aufzukündigen. Eine Entscheidung soll bis zum 12. Mai fallen. Trump betonte, er fühle sich in seiner Skepsis gegenüber dem Atomdeal von 2015 bestätigt.

Deutschland und Großbritannien wollen das Atomabkommen aufrechterhalten

Die Bundesregierung hält dagegen an dem Abkommen fest. „Wir werden die Informationen der israelischen Seite im Detail analysieren und bewerten“, sagte ein Sprecher. „Klar ist, dass die internationale Gemeinschaft Zweifel daran hatte, dass der Iran ein ausschließlich friedliches Atomprogramm verfolgte.“ Deswegen sehe das 2015 getroffene Atomabkommen mit Teheran ja eine gründliche Überwachung durch die Internationale Atomenergiebehörde vor. Dieses unabhängige Überwachungssystem sei auch in Zukunft notwendig, um die Einhaltung der nuklearen Beschränkungen und die ausschließlich friedliche Nutzung der Atomenergie durch den Iran sicherzustellen.

Die britische Regierung forderte ebenfalls erneut, das Iran-Abkommen müsse erhalten bleiben. Der Vertrag verpflichtete den Iran zur Aufgabe seines militärischen Atomwaffenprogramms im Gegenzug für ein Ende westlicher Sanktionen. Neue Sanktionen würden das Aus für den Vertrag bedeuten. Iran hat angekündigt, in diesem Fall wieder mit der Uran-Anreicherung zu beginnen.

Auch deutsche Sicherheitskreise haben keine Hinweise auf formale Verstöße des Iran gegen das Abkommen. Bei der Urananreicherung halte sich das Regime wie vereinbart zurück. Dennoch gehen die Experten davon aus, dass Teheran sein Ziel, Atommacht zu werden, nicht aufgegeben hat. So wird in Sicherheitskreisen registriert, dass der Iran bei den „militärischen Komponenten“, also dem Bau von Bombe und Trägersystem, „fleißig weitermacht“. Auch versuche das Mullah-Regime weiter, bei deutschen Hightech-Unternehmen an Güter für den Bau von Raketen mit atomaren Sprengköpfen heranzukommen.

Trittin wirft Netanjahu „Geheimdienstshow“ vor

Der Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin wertete das Vorgehen des israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu als „Geheimdienstshow“. Sie diene dazu, den USA einen Vorwand zu liefern, das Atomabkommen zu kündigen, sagte Trittin dem Tagesspiegel. „Das ist ebenso durchsichtig wie absurd – vor allem aber in der Konsequenz gefährlich.“ Netanjahu habe lediglich belegt, dass einmal erworbenes Wissen zum Bau von Bomben nicht einfach wieder verschwinde. Entscheidend sei aber der Verzicht auf die Herstellung waffenfähigen Urans. Die Bundesregierung müsse nun dafür sorgen, „dass es belastbare Angebote Europas, Chinas und Russlands gibt, um trotz der sich abzeichnenden einseitigen Sanktionen der USA den Iran im Abkommen zu halten“.

SPD-Fraktionsvize Rolf Mützenich warnte vor den Folgen eines Krieges zwischen Israel und Iran. „Die Lage ist besorgniserregend. Israel ist offenbar nicht mehr gewillt, den wachsenden Einfluss des Iran in Syrien noch länger zu dulden“, sagte der SPD-Außenpolitiker. „Das Eskalationspotenzial möglicher militärischer Schläge Israels gegen den Iran ist hoch, das kann zu einem Flächenbrand in der Region, einschließlich der arabischen Halbinsel, führen.“

Der Nahostexperte Michael Wolffsohn warnt allerdings vor "Kriegshysterie". Eine direkte Konfrontation zwischen Israel und dem Iran sei derzeit eher unwahrscheinlich. "Wie soll oder will der Iran zusätzlich zum Krieg in Syrien, im Irak und Jemen gegen Israel Krieg führen?"

Die Regierung in Jerusalem übe Druck aus, damit sich Teheran aus Syrien zurückzieht. "Das wird geschehen, weil alles andere für den Iran zu riskant ist." Die Methode ähnele dem Koreamuster: "Durch Härte Nachgiebigkeit erreichen."

Netanjahus Vorwürfe fachen die Konfrontation zwischen Israel und dem Iran zusätzlich an. In Syrien waren in den vergangenen Tagen die Spannungen zwischen Israel und dem Iran erneut eskaliert. Ein mutmaßlich von Israel ausgeführter Raketenangriff auf militärische Einrichtungen in Syrien tötete mehrere iranische Kämpfer. Israel wirft dem Iran vor, in Syrien Truppen und Waffen für einen Angriff auf den jüdischen Staat zusammenzuziehen.

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