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Politik: Ist Bush isoliert – oder Schröder?

STREIT UM DEN IRAK

Von Christoph von Marschall

So weit waren Deutschland und Amerika seit dem Zweiten Weltkrieg noch nie auseinander. Der Kanzler ist strikt gegen einen Irak-Krieg – selbst wenn die Vereinten Nationen, Frankreich und Großbritannien dafür sind. Die USA wollen Saddam Hussein um jeden Preis stürzen – auch ohne UN-Mandat und ohne ihre europäischen Alliierten. Eine extreme Polarisierung, die in der internationalen Isolierung zu enden droht. Fragt sich nur: für wen?

Ganz so isoliert, wie Schröders Gegner behaupten, ist die Bundesregierung dann doch nicht. Frankreich werde sich an einem Krieg zum Sturz Saddam Husseins nicht beteiligen, hat Präsident Jacques Chirac festgelegt. Je mehr Amerika dieses Kriegsziel in den Vordergrund rückt und auf Alleingänge ohne UN pocht, desto mehr stellt es sich ins Abseits.

Aber ganz so isoliert, wie Gerhard Schröder es gern darstellt, sind die USA auch nicht. Tony Blair versucht, die EU seit Tagen auf eine bedingte Interventionsbereitschaft zu verpflichten – falls Irak sich dem Ultimatum nicht beugt, Waffeninspektoren ins Land zu lassen. Für dieses Ziel würde auch Frankreich kämpfen. Nur Schröder nicht, deshalb droht Deutschland nach wie vor die Isolierung in der transatlantischen Gemeinschaft.

In einem freilich sind sich der Kanzler und die US-Regierung trotz aller Polarisierung einig: Die Vereinten Nationen und die Rüstungskontrolle sind ihnen egal. Ob die Waffeninspektoren ihre Arbeit tun dürfen oder nicht, sei unerheblich, verkündet Vizepräsident Dick Cheney. Washington habe sich zum Sturz Saddams entschlossen. Kanzler Schröder will umgekehrt auch dann nicht mittun, wenn der UN-Sicherheitsrat eine Militäraktion beschließt, um die Rüstungskontrolle zu erzwingen.

Ein spiegelbildliches Verhalten zeigen die Bundesregierung und die US-Administration auch in der Debattenführung. Besser gesagt: in der Verweigerung jeder ernsthaften Auseinandersetzung mit den Argumenten und Bedenken der Verbündeten. Wie gute Fundamentalisten geben sie sich damit zufrieden, auf ihren extremen Standpunkten zu beharren. Amerika verkündet den Beschluss, Saddam zu stürzen, und erwartet Gefolgschaft ohne Gespräch. Ein grob ungehöriger Umgang mit den engsten Verbündeten – und das, nachdem Präsident Bush den Europäern mehrmals zugesagt hatte, sie vor einer Entscheidung zu konsultieren.

Aber auch Schröder verweigert die Kerndebatte. Wie gefährlich ist Saddam Hussein, welche Bedrohung bedeutet sein Rüstungsprogramm für Israel und sogar für Deutschland? Der Kanzler scheint sich wenig um die Bedrohungsanalysen internationaler Experten zu scheren. Jedenfalls jetzt im Wahlkampf, wo sich doch so schön Stimmung machen lässt mit der Behauptung, er sei der Mann, der Deutschland vor riskanten Abenteuern bewahrt. Klar finden das Millionen Wähler wunderbar. Fänden sie das auch noch, wenn sie wüssten, welche brisanten Warnungen die Dossiers im Bundeskanzleramt enthalten?

Die mögliche Bedrohung deutscher Bürger und das Existenzrecht Israels – das sind Fragen, die einem Bundeskanzler niemals gleichgültig sein dürfen. Sie gehen die ganze Gesellschaft an. Saddam strebt unverändert nach atomaren, biologischen und chemischen Massenvernichtungswaffen. Über Jahre konnte er sein Projekt unbeobachtet verfolgen, da er die Waffeninspektoren nicht mehr ins Land ließ. Und weil das Embargo löchrig ist. Israel hat er bereits im Golfkrieg mit Scud-Raketen beschossen, in ein bis drei Jahren könnte er Raketen haben, die München erreichen.

Wie groß die Gefahr wirklich ist, lässt sich nur durch systematische Kontrollen klären. Wenn Saddam sie verweigert, wächst der Verdacht, dass er Massenvernichtungswaffen entwickelt, die nicht in seine Hände gehören. Dann muss jeder Bundeskanzler – und wenn er Schröder heißt – alles tun, um das zu verhindern. Eine pauschale Ablehnung jeden Irak-Kriegs lässt sich nicht durchhalten. Einen amerikanischen Alleingang, der die UN und Europa ignoriert, braucht er nicht mitzumachen. Eine Militärintervention im Dienst der UN-Rüstungskontrolle muss er aber unterstützen.

Was bleibt? Herunter kommen von viel zu starken Wahlkampf-Worten und unhaltbaren Festlegungen. Es wird Zeit.

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