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Politik: Ist Jörg Haider Nationalsozialist oder neoliberal?

In Westeuropa, Israel und Nordamerika wird Jörg Haider nach seinem Wahlerfolg in Österreich unverholen als Neonazi und "Bewunderer Hitlers" bezeichnet. CSU-Chef Edmund Stoiber dagegen empfiehlt die Koalition mit dessen "Freiheitlichen" (FPÖ).

In Westeuropa, Israel und Nordamerika wird Jörg Haider nach seinem Wahlerfolg in Österreich unverholen als Neonazi und "Bewunderer Hitlers" bezeichnet. CSU-Chef Edmund Stoiber dagegen empfiehlt die Koalition mit dessen "Freiheitlichen" (FPÖ). So gibt es vor allem im Ausland Irritationen darüber, wie die Politik des vielschichtigen Rechtspopulisten zu fassen ist.

Um Haiders Werdegang zu verstehen, empfiehlt sich der Blick auf die Wurzeln der 1956 gegründeten FPÖ. Neben liberalen Strömungen fanden im "dritten Lager" überproportional österreichische Nationalsozialisten eine politische Heimat, von denen manche allerdings auch in anderen Parteien unterkamen. Dass Österreich lange die Legende vom ersten Opfer "Hitler-Deutschlands" gepflegt hat und das Land sich auf die Seite der Siegermächte schlagen konnte, trug zu dieser Entwicklung bei.

Haider selbst gründete an der Wiener Universität den "Ring freiheitlicher Studenten", der zunächst ein liberales Korrektiv zur FPÖ bildete. Sympathien für das "Dritte Reich" und Verharmlosung von Konzentrationslagern waren Haiders Signale, als er im parteiinternen Machkampf gegen den liberalen Norbert Steger, den er 1986 als Parteichef ablöste.

Offene Ausländerfeindlichkeit wird von der Haider-FPÖ inzwischen sehr gezielt eingesetzt. Plakate mit dem Slogan "Stopp der Überfremdung" setzten die "Freiheitlichen" in ihrer Kampagne für diese Parlamentswahl vor allem in Ballungs- und Industriegebieten ein. Bei den österreichischen Arbeitern, die sich zumindest subjektiv von ausländischen Billiglöhnen und Arbeitslosigkeit bedroht fühlen, konnte die FPÖ damit stärkste Partei werden.

Den Mittelschichten, die vor allem den großen Einfluß des Staates in Österreich zurückgedrängt sehen möchten, bietet Haider neoliberale Vorschläge. So schlägt er eine "Flat Tax" vor, die einen einheitlichen Steuersatz für alle ohne Absetzbeträge vorsieht. Das Modell kommt laut Steuerexperten vor allem höheren Einkommensschichten zugute. Konterkariert wird diese einschneidende Verringerung der öffentlichen Einnahmen durch Haiders Versprechen eines teuren Kindergeldes, von dem vor allem Hausfrauen profitieren.

Entscheidend dürfte allerdings das Wir-Gefühl sein, das die Führer-Figur mit einigem Charisma hervorzurufen versteht. Das beschworene Bild vom tüchtigen Inländer, der sich gegen kriminelle und unkultivierte Ausländer abschotten muß, schlägt die Brücke zwischen Modernisierungsverlierern der untersten Einkommensschichten, Mittelschicht und selbst reichen Industriellen. Ähnlich wie Bayern, lediglich etwas später, stieg Österreich vom Agrarstaat zum modernen Industrie- und Fremdenverkehrsstandort auf. Extremismusforscher warnen deshalb davor, dass ein mit Haider vergleichbarer Erfolg auch in anderen Wohlstandsstaaten möglich ist.

Ulrich Glauber

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