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Passagiere stehen im Flughafen Gatwick in einer Schlange für einen Shuttlezug.

© Gareth Fuller/PA Wire/dpa

Update

Neue Coronavirus-Variante: Regierungen weltweit alarmiert – Chaos an deutschen Flughäfen

Brüssel und London berufen wegen der Coronavirus-Mutation Notfalltreffen ein. Großbritannien ist vom europäischen Festland weitgehend abgeschnitten.

Wegen der in Großbritannien entdeckten Variante des Coronavirus schottet sich Europa zum Wochenbeginn zunehmend vom Vereinigten Königreich ab. Zum Schutz vor der Mutation dürfen in Deutschland seit Montag bis zunächst 31. Dezember keine aus Großbritannien kommenden Flugzeuge mehr landen.

Das hatte das Bundesverkehrsministerium am Sonntag verfügt. Ausgenommen sind demnach reine Frachtflüge. Weitere Beschränkungen sollen folgen. Auch zahlreiche andere europäische Länder hatten am Sonntag Flugverbote oder Grenzschließungen zum Vereinigten Königreich verkündet.

Grund für die Reisebeschränkungen ist eine kürzlich entdeckte Mutation des Virus in Großbritannien, die nach ersten Erkenntnissen britischer Wissenschaftler um bis zu 70 Prozent ansteckender als die bisher bekannte Form sein soll. Die Form breitet sich vor allem in London und Südostengland rasant aus. Für die Region ordneten die Behörden einen Shutdown mit Ausgangs- und Reisesperren an.

Europäische Staaten reagieren mit Einreiseverboten

Zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland und „zur Limitierung des Eintrages und der schnellen Verbreitung der neuen Virusvarianten“ sei ein sofortiges, befristetes Verbot für Flüge aus dem Vereinigten Königreich und Nordirland geboten, erläuterte das Verkehrsministerium in der Verordnung. Von dort seien Virus-Mutationen gemeldet worden, die in Deutschland noch nicht festgestellt worden seien.

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Weitergehende Beschränkungen sollen noch per Rechtsverordnung festgelegt werden, wie es in Regierungskreisen hieß. Gesundheitsminister Jens Spahn erläuterte, an diesem Montag sei geplant, mit einer Verordnung „den gesamten Reiseverkehr“ mit Großbritannien und Südafrika einzuschränken.

Der CDU-Politiker sagte am Sonntagabend im ARD-„Bericht aus Berlin“, man nehme die Meldungen aus Großbritannien sehr ernst. Das Land Nordrhein-Westfalen setzte für Großbritannien und das ebenfalls von der Virusvariante betroffene Südafrika die Quarantäne-Verordnung wieder in Kraft.

[Mehr zum Thema: Johnson nutzt die Corona-Mutationen politisch – das ist schäbig]

Bereits am Sonntagabend wurde die Einreise von Flugpassagieren aus Großbritannien an mehreren deutschen Flughäfen zunächst gestoppt. Ein koordiniertes Vorgehen gab es dabei offensichtlich nicht.

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In Hannover betraf das am Abend etwa 63 Passagiere eines Flugs aus London. Bis zum Vorliegen des Corona-Testergebnisses müssten die Passagiere auf dem Flughafengelände bleiben, sagte eine Regionssprecherin am Sonntagabend. Sie rechne damit, dass die Ergebnisse am Montag vorliegen, das stehe aber nicht fest.

Nach Angaben des Flughafens Hannover wurden im Terminal D Feldbetten aufgebaut, die Passagiere werden dort auch verpflegt. Egal ob die Passagiere deutsche- oder nichtdeutsche Staatsbürger waren - sie durften das Terminalgelände nicht verlassen. Unter den Reisenden machte sich laut einem Bericht der "Bild"-Zeitung Verzweiflung und Ärger über mangelnde Informationen breit. Außerdem gab es die Furcht, sich im Terminalgebäude bei anderen Reisenden anzustecken. Es kam wohl zu chaotischen Szenen.

EU-Notfalltreffen einberufen

Sollte das Testergebnis negativ ausfallen, bedeutet das für die betreffenden Passagiere eine zehntägige Quarantäne - nach fünf Tagen und einem erneuten negativen Testergebnis kann die Quarantäne vorzeitig enden. Bestätigt sich eine Infektion, bei der unklar ist, ob es sich um die neue Virus-Variante handelt, kommen die Betroffenen in ein besonderes Quarantäne-Hotel.

Auch in Stuttgart mussten sich Flugreisende aus London testen lassen. Anders war es in Berlin geregelt.

Am Flughafen BER durften Reisende mit Meldeadresse in Deutschland den Flughafen verlassen, wie der britische Journalist Tom Nuttall auf Twitter berichtete. Die Reisenden wurden darauf hingewiesen, das lokale Gesundheitsamt zu benachrichtigen. Die Bundespolizei schien von der Situation überrascht, länger sei nicht klar gewesen, wie genau vorgegangen werden soll, schreibt Nuttall. Reisende ohne Meldeadresse in Deutschland mussten wohl am Flughafen ausharren, bis das Testzentrum um 6 Uhr öffnete.

Der Flug BA978 aus Heathrow landete am Sonntagabend auf dem Flughafen Hannover.
Der Flug BA978 aus Heathrow landete am Sonntagabend auf dem Flughafen Hannover.

© Fernando Martinez/TNN/dpa

Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft berief wegen der Mutation für Montag ein Notfalltreffen mit Vertretern anderer Mitgliedstaaten ein. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Bundeskanzlerin Angela Merkel, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel hatten bereits am Sonntag in einem Telefonat die Lage erörtert.

Einzelne Fälle der Mutation sind offenbar bereits in der EU aufgetreten, etwa in Italien. Spahn erwähnte im ZDF Fälle in Dänemark, die aber nach Angaben dänischer Behörden unter Kontrolle seien. Der Europaabgeordnete Peter Liese sprach von nachgewiesenen Infektionen in Belgien und den Niederlanden.

Lauterbach sieht neue Virusvariante als Brandbeschleuniger

„Es wird ja erst seit Kurzem überhaupt auch diese neue Variante gezielt getestet. Man kann nicht ausschließen, dass es schon viele Infektionen auf dem Kontinent gibt“, sagte er der „Welt“. In Deutschland ist die neue Variante nach Angaben des Berliner Charité-Virologen Christian Drosten bisher nicht aufgetaucht.

Neben Deutschland hatten diverse Länder mit Flugstopps oder ähnlichem gehandelt, darunter die Niederlande, Belgien oder Irland. Auch Österreich verfügte ein Landeverbot für Flüge aus Großbritannien. Zudem stellte die Schweiz Flugverbindungen nach Großbritannien und Südafrika ein.

Reisende mit Mund-Nasen-Bedeckungen warten im Bahnhof St. Pancras in einer Schlange, um den letzten Zug nach Paris zu nehmen.
Reisende mit Mund-Nasen-Bedeckungen warten im Bahnhof St. Pancras in einer Schlange, um den letzten Zug nach Paris zu nehmen.

© Stefan Rousseau/PA/AP/dpa

Frankreich verhängte ein Einreiseverbot für Reisende aus Großbritannien auf dem Luft-, See- und Landweg. Deshalb wurden der wichtige britische Hafen Dover am Ärmelkanal sowie der Eurotunnel um Mitternacht geschlossen. Auch Argentinien, Kolumbien, Chile, Kanada und der Golfstaat Kuwait stoppten Flüge aus Großbritannien.

Angesichts der zunehmenden Isolation seines Landes berief Premierminister Johnson für diesen Montag ein Krisentreffen seiner Regierung ein. Ein „steter Fluss von Fracht“ aus und nach Großbritannien müsse sichergestellt werden.

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach warnte vor einem schnellen Vordringen der Coronavirus-Variante nach Deutschland. „Wenn es jetzt käme, wo wir mitten in der zweiten Welle sind, wo wir so hohe Fallzahlen haben, wäre das eine Katastrophe“, sagte Lauterbach am Sonntagabend im „Bild“-Talk „Die richtigen Fragen“.

„Das ist so ähnlich, als wenn ich ein Feuer habe und gieße noch einmal Benzin nach.“ Die Wahrscheinlichkeit, dass die neue, angeblich deutlich ansteckendere Corona-Variante über kurz oder lang nach Deutschland komme, bezifferte Lauterbach auf 100 Prozent.

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