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Italien: Andreotti – 90 und kein bisschen müde

Sieben Mal war er Italiens Regierungschef, noch viel öfter Minister in allen möglichen Ressorts, seit 1948 sitzt er im Parlament, seit 1991 als Senator ehrenhalber sogar auf Lebenszeit. Und wenn man ihn fragt, was er sich zum 90. Geburtstag an diesem Mittwoch wünscht, dann sagt Giulio Andreotti: "Tja, wenn ich darf, dann bitte ich um Verlängerung."

Geboren in Rom, Christdemokrat der ersten Stunde, hat Andreotti in ebenso geduldiger wie flächendeckender Weise eines zur Perfektion ausgebaut: die Fähigkeit des Machterhalts. Egal, was passierte, Andreotti schwamm immer oben. Das hatte zur Begleiterscheinung, dass seine Politik oft klare, langfristige Ziele vermissen ließ. Wenn es passte, wechselte Andreotti spontan die Richtung.

Über Jahrzehnte geschah in Italiens Spitzenpolitik kaum etwas, bei dem der Finten- und Beziehungsreiche nicht seine Finger im Spiel hatte. Lästigen Gegnern drohte Andreotti gerne mit dem Griff in sein persönliches Archiv, eine Ansammlung von geschätzt 600 Laufmetern Papier.

Man munkelt, Andreotti könnte in sehr viele Skandale der „Ersten Republik“ verwickelt gewesen sein, die 1992 im großen Parteispenden- und Bestechungssumpf „Tangentopoli“ unterging. Beweisen hingegen ließ sich nie etwas. Auch wurde Andreotti 2004, nach fast elfjährigen Prozessen, definitiv vom Vorwurf freigesprochen, er habe die sizilianische Mafia begünstigt oder gar mit ihr zusammengearbeitet. Diesen Freispruch tragen heute Andreotti und seine Verehrer wie eine große Fahne gegen alle „politischen Verleumder“ vor sich her; die Staatsanwaltschaft von damals erklärt hingegen, die strafbaren Vergehen aus der Zeit bis 1980 seien von den Richtern ausdrücklich bestätigt und lediglich als verjährt angesehen worden. 

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