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Italien: Berlusconi-Partei zerfällt

Am Wochenende ist Berlusconis Partei auseinander gefallen, sein einstiger Kronprinz Alfano hob ein neues Rechtsbündnis aus der Taufe. Damit will er verhindern, dass Berlusconi das Land in Geiselhaft nimmt, wenn er aus der Senatskammer ausgeschlossen wird. Und Alfano könnte damit Erfolg haben.

Die Partei von Silvio Berlusconi hat sich am Samstag gespalten. Bei einem Nationalkongress in Rom votierten mehr als 600 Delegierte ohne Gegenstimmen für die Rückbenennung des bisherigen „Volks der Freiheit“ (PDL) in „Forza Italia“. Etwa 250 der regional gewählten Parteivertreter waren der Versammlung allerdings ferngeblieben. Sie scharen sich um Angelino Alfano, den bisherigen PDL-Generalsekretär, der am Vorabend im Streit mit Berlusconi eine „Neue Rechte Mitte“ ausgerufen hat.

Der Protest der „Alfanianer“ richtet sich in erster Linie dagegen, dass Berlusconi das Schicksal der von ihm bisher mitgetragenen großen Koalition an seine privaten juristischen Probleme bindet. Erst kürzlich hatte Berlusconi wieder einmal gedroht, sollte das Parlament tatsächlich seinen Ausschluss aus der Senatskammer beschließen – die Sitzung ist für den 27. November geplant –, bedeute dies „das Ende der Regierung“. Alfanos Leute hingegen vertreten die Ansicht, dass eine Regierungskrise zum gegenwärtigen Zeitpunkt schädlich für Italien und dessen gerade zaghaft beginnende wirtschaftliche Erholung wäre.

Mit der Unterstützung durch die bisher gut 30 „Alfanianer“ im Senat ist die vom Sozialdemokraten Enrico Letta geführte Regierung künftig nicht mehr auf Berlusconis Zustimmung angewiesen. Sie verfügt dann über mindestens zehn Sitze mehr als zur absoluten Mehrheit notwendig. Die Zahlen sind aber derzeit noch im Fluss. Tendenziell wird sich die „Neue Rechte Mitte“ noch vergrößern. Ihr gehören neben Vizepremier und Innenminister Alfano vor allem auch die vier anderen bisherigen PDL-Minister an. Was aus den Vizeministern und Staatssekretären wird, die von Berlusconi benannt sind, ist noch offen.

In seiner eineinhalbstündigen Rede, gegen deren Ende er am Pult schier zusammenzubrechen schien, beklagte Berlusconi wie üblich, dass eine „unkontrollierte, unkontrollierbare und unverantwortliche Richterschaft“ dem Land die Freiheit raube. Ferner listete er die Wettbewerbsnachteile Italiens gegenüber konkurrierenden Ländern auf – vor allem gegenüber Indien, China und Albanien – und forderte, die Europäische Zentralbank müsse eine „Lizenz zum Gelddrucken“ bekommen. Das würde die Inflation höchstens um ein bis zwei Prozent anheben, sagte Berlusconi, „das wäre sogar ein Antrieb für die Wirtschaft“.

Mit der „Forza Italia“ kehrt Berlusconi zurück zu seiner ursprünglichen „Marke“. Die entsprechende Partei hatte er 1993/94 für seinen Einstieg in die Politik gegründet; entwickelt wurde sie in der Werbeabteilung seines Fernsehkonzerns. Das „Volk der Freiheit“ hingegen hat er vor genau sechs Jahren ausgerufen. Ziel war es damals, das Mitte-rechts-Lager durch den Zusammenschluss mit den gewendeten Postfaschisten des Gianfranco Fini zu einer einheitlichen Kraft zu bündeln. Berlusconi, das wiederholte er diesen Samstag wieder, war mit der „Marke“ PDL nie zufrieden: Der Parteiname sei „nur als Abkürzung wahrgenommen worden und nicht zu Herzen gegangen“.

Bis Freitagabend hatte es Vermittlungsversuche zwischen Alfano und Berlusconi gegeben; allerdings drängten die „Falken“ und „Amazonen“ um Berlusconi herum vehement auf eine Trennung vom „Verräter“ Alfano. „Verräter“-Rufe waren auch während des Parteikongresses gestern vielfach und lautstark zu hören. Allerdings rief Berlusconi seine Getreuen dazu auf, nicht gegen die Rebellen zu wettern: „Sie werden später doch wieder im gemeinsamen Mitte-rechts-Lager landen, also ist es besser, keine unüberwindlichen Gräben auszuheben.“

Alfano hatte versucht, Berlusconi zur Anerkennung des Gerichtsurteils zu bewegen (vier Jahre Haft wegen Steuerhinterziehung) und dazu, seinen daraus folgenden mindestens zweijährigen Ausschluss von allen Ämtern zur Wiederaufnahme des Prozesses und zur Rehabilitierung zu nutzen. Alfano sagte immer, Berlusconi bleibe auch außerhalb des Parlaments der „Leader des Mitte-rechts-Lagers“: „Er braucht keine Erben.“ Noch am Freitagabend, bei der Ankündigung seiner neuen Parlamentsfraktion, versicherte Alfano, er werde „Berlusconi weiterhin von der Regierung aus unterstützen“.

In einer Pressekonferenz sagte Alfano am Samstag Abend, der Bruch mit Berlusconi sei eine „bittere und sehr schmerzliche Entscheidung“, von der er nie gedacht habe, sie eines Tages verkünden zu müssen. Allerdings befänden sich Berlusconis Leute auf „extremistischem Kurs , alles hinwerfen und Neuwahlen anstreben zu wollen“. Die Regierung aber, die bereits „bedeutende Ergebnisse“ zu verzeichnen habe, müsse und könne jetzt weitermachen.

Alfano setzt allerdings nicht nur darauf, dass seine „von tiefer Zuneigung geprägte persönliche Beziehung zu Berlusconi erhalten bleibt“, sondern erwartet genauso wie Berlusconi auch, dass die Mitte-Rechts-Koalition als solche hält. Das heißt, im Fall des erhofften „großen Wahlsiegs“ hält Alfano eine Koalition mit Berlusconi für selbstverständlich. Auch sagt Alfano, die Forza Italia werde in einem solchen Bündnis „die zentrale Rolle spielen.“  

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