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Italien: Berlusconis "Blitzkrieg"

Nicht einmal vier Wochen dauerte der jüngste Coup des italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi von der Planung bis zur Ausführung: Gestern beschloss die römische Abgeordnetenkammer die Rückkehr zum Verhältniswahlrecht.

Rom - Die Änderung des Wahlrechts durch den italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi bezeichnet die Mailänder Zeitung «Corriere della Sera» mit einem hässlichen deutschen Wort: Blitzkrieg. Nicht einmal vier Wochen ist es her, da zog das Mitte-Rechts-Lager den Entwurf zur Wahlrechtsänderung aus der Tasche. Rasch und entschlossen ging dann das Berlusconi-Lager vor, der Aufschrei der Kritiker wurde ignoriert, die Opposition überrumpelt, am Donnerstagabend beschloss die römische Abgeordnetenkammer die Rückkehr zum Verhältniswahlrecht. Was nun?

«Alle wissen, dass das neue Gesetz ein Maßanzug ist», schreibt das Blatt. Das neue Wahlrecht stärkt die Parteien, der «natürliche» Verlierer ist daher der parteilose Oppositionsführer Romano Prodi. Der hat mit viel Mühe gerade das Linksbündnis «Unione» aus der Taufe gehoben, an diesem Sonntag sollen ihn Vorwahlen zum Spitzenkandidaten für die Parlamentswahl im April küren - hinter all dem steht jetzt ein Fragezeichen. «Das Problem ist jetzt, wie Prodi das Linkslager zusammenhalten kann», fragt sich ein Experte der Zeitung «La Rebbulica».

«Das ist ein Schritt zurück in die Vergangenheit», meint ein anderer Kritiker. Gemeint ist die «Parteienherrschaft» der Nachkriegszeit mit ihren Splitterparteien, ihren instabilen Regierungen, die sich im Durchschnitt gerade mal ein paar Monate im Amt halten konnten.

«Das ist eine absolut demokratische Wahlrechtsänderung», hält Berlusconi dagegen. Nur, fragen sich viele: Warum gerade jetzt? Sechs Monate vor dem Urnengang das Wahlrecht ändern, das ist nicht gerade üblich in Europa. Wohl kein Zufall, da das Prodi-Lager laut Umfragen derzeit vorn liegt. «Aber man hat sich schon an so vieles gewöhnt in Italien», stöhnt ein Linkspolitiker.

Schließlich handele es sich nicht um die erste «Lex Berlusconi»: Kaum im Jahr 2001 die Macht gekommen, ließ der Multi-Milliardär Berlusconi das Erbschaftsrecht ändern. Dann setzte der Fernseh- Unternehmer ein neues Medienrecht durch, das ihm weitere Expansion erlaubt. Und auch in der Justiz gebe es Reformen, die ihm «auf den Leib geschrieben sind», kritisiert der Linkspolitiker.

Doch das ist Teil des «Phänomen Berlusconis». Deutsche tun sich mitunter schwer, das zu verstehen. Dazu schreibt der Geschichtsprofessor Sergio Romano am Freitag: Viele Italiener betrachten Berlusconis Wahlrechtsänderung als Zeichen der Arroganz der Macht. «Aber viele hegen eine gewisse Bewunderung für den Blitzkrieg, mit dem Berlusconi seine Ziele durchsetzt... Er ist Optimist, sprüht vor Energie und verbreitet Zuversicht.» Für Außenstehende verwundert, dass der große Aufschrei über die Wahlreform in Rom fast schon wieder vorbei ist. (Von Peer Meinert, dpa)

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