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Politik: Italien sucht die Neue Mitte (Kommentar)

Silvio Berlusconi reklamiert zu Recht den Erfolg gegen die Volksabstimmungen am vergangen Sonntag als seinen "persönlichen Sieg". Freilich sind Zweifel angebracht, ob es ein Sieg über die Anträge selbst war: Offenbar ist ein Großteil der Italiener den Urnen ferngeblieben, ohne zu erkennen, wie wichtig einige der Referenden auch für sie selbst sind, etwa jenes gegen willkürliche Entlassungen in Kleinbetrieben.

Silvio Berlusconi reklamiert zu Recht den Erfolg gegen die Volksabstimmungen am vergangen Sonntag als seinen "persönlichen Sieg". Freilich sind Zweifel angebracht, ob es ein Sieg über die Anträge selbst war: Offenbar ist ein Großteil der Italiener den Urnen ferngeblieben, ohne zu erkennen, wie wichtig einige der Referenden auch für sie selbst sind, etwa jenes gegen willkürliche Entlassungen in Kleinbetrieben. Ein Sieg über die Regierungskoalition aber war es zweifellos, auch wenn Ministerpräsident Giuliano Amato sich von Anfang an als "neutral" in Fragen der Volksbegehren erklärt hatte. Wieder einmal, wie schon vor den Europawahlen 1999 und den Regionalwahlen im April, konnte Berlusconi Spannungen im Mitte-Links-Bündnis ausnutzen und eine Sachfrage wie das Wahlrecht zur direkten Auseinandersetzung mit der Koalition hochpuschen.

Erneut hat sich so die desolate Lage der Linken gezeigt: kopflos, ohne Programm, ohne Führungsgestalten, unfähig, die eigene Politik ins rechte Licht zu setzen. Tatsächlich geht es den meisten Italienern besser als früher: Arbeitslosigkeit und Staatsschulden nehmen ab, die Steuern wurden gesenkt, das Dienstleistungssystem verbessert. So mancher Kommentator fragt sich, was die Italiener eigentlich wollen, wenn sie nun die Politik weit nach rechts verschieben.

Doch es ist keineswegs ausgemacht, ob sich dieser Rechtsschwenk am Ende auch in einer Rechtsregierung niederschlagen wird. Denn mit der Absage ans Wahlrechtsreferendum haben die Italiener Wasser auf die Mühlen derjenigen geleitet, die, entgegen der beabsichtigten klaren Polarisierung in zwei große Blöcke, auf die Rekonstruktion einer "starken Mitte" setzen. Das würde auf eine Art Wiederbelebung der Mitte der 90er Jahre entschlafenen Democrazia cristiana hinauslaufen, die sich damals in ein halbes Dutzend kleiner Parteien aufgelöst hat. Eine neue Partei der Mitte könnte dann wieder rechts und links koalieren.

Der Vatikan arbeitet über seine Kanäle schon seit langem wieder auf eine ihm gewogene, einheitliche Katholenpartei hin. Bisher waren die Aussichten angesichts der Zersplitterung des Zentrums eher gering - nun mehren sich aber die Signale für mögliche Fusionspläne der verschiedenen Nachfolgergruppen der alten DC.

Berlusconi, der seit seinem Regierungssturz 1994 einen siebten Sinn für Machtverhältnisse entwickelt hat, sieht derlei Bewegungen trotz seiner Wahl-Siege als Gefahr für seine Partei, schließlich wirken auch darin viele ehemalige Christdemokraten. Und mit seinem typischen Draufgängertum bietet er sich nun als Chef einer solchen neuen "Mitte" an, mit der Aussicht, durch die Verschmelzung mit seiner "Forza Italia" das künftige Machtzentrum wieder auf Dauer zu etablieren. Daher rühren auch seine in letzter Zeit immer häufigeren Absetzbewegungen von seinem bisherigen Partner auf der äußersten Rechten, der Nationalen Allianz, die von den Christlichen Demokraten nicht geschätzt wird. Daher kommt auch sein unvermitteltes Eintreten für das deutsche Wahlrecht und die Einführung des konstruktive Misstrauenvotums als Absicherung vor den periodischen Regierungsstürzen. Denn dafür optiert der Vatikan schon lange, und jetzt ganz besonders, wo die verhasste Linke kaum mehr Chancen mehr hat, noch einmal Wahlen zu gewinnen.

Doch es ist keineswegs ausgemacht, ob der Heilige Stuhl Berlusconi als Chef des Zentrums zulassen würde - schließlich ist der Mann geschieden und fällt auch immer wieder durch unvorhersehbare Schwenks auf, so, als er zuletzt massiv fremdenfeindliche Gesetzesentwürfe eingebracht hat. Derlei Ansinnen hat Papst Johannes Paul II. soeben spektakulär abgeschworen.

Berlusconis Sieg kann, muss aber nicht den Marsch Italiens nach ganz rechts bedeuten. Allerdings: Eine neue DC als Machtzentrum wie in alten Zeiten ist auch keine allzu erhebende Perspektive. Schließlich hat die Katholikenpartei 45 Jahre lang regiert - Mafia und Korruption waren die Folgen. Auf eine Wiedererholung der Linken zu spekulieren, getraut sich heute aber auch niemand. Keine schönen Aussichten für Italien.

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