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Politik: ITALIEN

Hooligans erzwingen mit Randale Zugeständnisse von den Klubs Von Tom Mustroph aus Rom.

Rom ist nicht immer eine Reise wert. Diese Erfahrung mussten in der vergangenen Woche drei Fans von Borussia Mönchengladbach machen, als sie unmittelbar vor dem Rückspiel in der Europa League gegen Lazio Rom mit Messern angegriffen wurden. Für sie ging der Ausflug an den Tiber noch vergleichsweise glimpflich aus. Fans des Premier-League-Klubs FC Tottenham hatten im November mehrere Tage in römischen Krankenhäusern verbringen müssen. Die Engländer waren Opfer einer Mega- Schlägerei auf dem Campo dei Fiori geworden. Die Attacke von rund 40 maskierten, mit Messern und Knüppeln bewaffneten Männer ging als „Joint Venture“ der Brutalität in die Annalen ein. Die eigentlich rivalisierenden Anhänger von Lazio und dem AS Rom hatten sich vereint und den Ruf der Ewigen Stadt als Randale-Metropole unterstrichen.

Ruf und Realität stehen indes in einem widersprüchlichen Verhältnis. Zwar gibt es gewalttätige Auseinandersetzungen, aber sie erregen auch mehr Aufmerksamkeit als all die Spiele, bei denen nichts passiert. Der Alltag auch in Italien ist, dass rivalisierende Fangruppen denselben Bus, dieselbe Straßenbahn benutzen können, ohne sich zu massakrieren. Gewalttaten haben in den vergangenen Jahren rein statistisch sogar abgenommen. Der Präsident des italienischen Fußballverbands, Giancarlo Abete, hielt dies in einem Gespräch mit dem Tagesspiegel für ein „Resultat der Anstrengungen von Verband, Vereinen, Politik und Sicherheitskräften“ und machte die immer häufiger erteilten Stadionverbote – derzeit mehr als 3000 – dafür verantwortlich.

Diese Sanktionspolitik löst das Problem aber nicht, trotz Repression blüht die Prügelmentalität. Römische Ultras etwa sammeln zum eigenen Ansporn Zeitungsartikel über Ausschreitungen. Zudem beeinflussen seit den 80er Jahren rechtsradikale Gruppen einige Fanszenen und überhöhen die Gewalttaten ideologisch. Italienische Spezialität ist ein machtpolitisches Spiel: „Einige Ultra-Gruppen nutzen das Gewaltpotenzial der Kurven gern aus, um Zugeständnisse von den Vereinen zu erzwingen“, hat der Soziologe Mauro Valeri beobachtet. Dabei geht es zum Beispiel um kostenlose Tickets, die oft teuer weiterverkauft werden, die Lizenz zum Verkauf von Getränken und Fanartikeln sowie Extrageld für Auswärtsfahrten. Laufen die Geschäfte nicht wie erwünscht, lassen Fanbosse ihre Schläger von der Leine und bescheren den Vereinen Sanktionen und schlechte Presse.

Die distanzieren sich dann wortreich, wie zuletzt Lazio-Präsident Claudio Lotito. Er unterschied zwischen „straffällig gewordenen Fans und Straftätern, die sich als Fans ausgeben“. Lazio versuchte sogar, den faschistischen „römischen Gruß“ als militärische Ehrenbezeigung zu bagatellisieren, um einer Strafe der Uefa zu entgehen. Das gelang aber nicht: Der Klub muss das Europa-League-Spiel gegen den VfB Stuttgart am 14. März ohne Zuschauer bestreiten. Lazio will gegen das Urteil vorgehen. „Wir können als Verein nicht für die Fehler von einigen wenigen bestraft werden“, schimpfte Lotito und nannte die Strafe „unverhältnismäßig“. Aussagen wie diese belegen, dass Italiens Fußball in einem Kreislauf von Gewalt, Repression und Verharmlosung stagniert.

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