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In einer Wahl hat sich der aktuelle italienische Staatschef Mario Monti noch nicht bewähren müssen.

© dapd

Italienisches Wahlrecht: Streit ums Porcellum

In Italien wird heftig über das Wahlsystem debattiert – taktische Überlegungen dominieren.

Italiens Parteien betreiben in diesen Wochen bereits den dritten Komplettumbau des Wahlsystems innerhalb von zwanzig Jahren. Und wieder suchen sie nichts Bleibendes. Es wechseln von Woche zu Woche, von Umfrage zu Umfrage taktische Überlegungen. Im Blick ist einzig die Parlamentswahl, die regulär im Frühjahr 2013 stattfinden soll. Womöglich wird sie vorgezogen. Auch diese Ungewissheit beeinflusst die Reformpläne.

1994 war ein Mischsystem eingeführt worden, bei dem ein Viertel der Sitze nach Verhältniswahl, drei Viertel nach Mehrheitswahl vergeben wurden. Es sollte mehr Stabilität bringen. Das aktuelle Wahlgesetz wird in Italien „Porcellum“ genannt. Der Name, darauf wiesen schon die Urheber hin, leitet sich direkt ab von „porcata“ – Schweinerei. Dubios ist das 2005 verabschiedete Gesetz, weil es von Silvio Berlusconis rechtskonservativer Koalition im Alleingang durchgedrückt worden ist, weil es einzig dazu entworfen wurde, den erwarteten Wahlsieg von Romano Prodis Linksbündnis im Frühjahr 2006 zu verhindern, und weil es den Wählerwillen gleich mehrfach verzerrt.

Zum einen erhält das Wahlbündnis mit dem relativ höchsten Stimmenanteil – und wenn es nur 20 Prozent sind – automatisch 54 Prozent der Sitze im Parlament. Als Mehrheitsprämie sozusagen. Zum anderen muss der Wähler die Parteilisten als ganze akzeptieren; es gibt kein Element der Personenwahl. Kandidatenlisten werden von den Parteiführungen in zentralistischer Weise erstellt. Sie jubeln dem Wähler damit auch Personen unter, die er womöglich gar nicht will: Uralt-Apparatschiks, die auf einem offenen Markt keiner mehr wählen würde. Oder juristisch zweifelhafte Gestalten, die politische Protektion genießen. Oder Extremisten, die zur Stimmenmaximierung aufgestellt sind und in Deutschland nie wählbar wären. Oder unbedarfte junge Frauen, die ein Silvio Berlusconi allein ihres Aussehens oder spezieller Dienstleistungen wegen zu belohnen gedenkt.

Apropos Berlusconi: Ob er wieder antritt, macht er – Parteifreunden zufolge – vom neuen Wahlrecht abhängig. Seine Partei aber ist tief darüber gespalten, ob sie Berlusconi wiederhaben will. In welcher Weise wird sie also das Wahlrecht verändern wollen? Keiner weiß es. Alles hängt in der Luft. Womöglich landet Italien wieder bei „Porcellum“. 2006 übrigens ging das Kalkül schief: Prodi konnte nach hauchdünnem Vorsprung die Mehrheitsprämie für sich verbuchen. Paul Kreiner

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