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Wladimir Putin stützt seinen Machtanspruch aufs Militär.

© Alexei Nikolsky/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa

It's the military, stupid!: Putin hat der Welt schon jetzt eine Lektion erteilt

Die Ukraine-Krise zeigt, dass Militärmacht immer noch zählt. Ebenso die sichere Energieversorgung. Das wird die Münchner Sicherheitskonferenz prägen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

It’s the military, stupid! Wladimir Putin wirft die internationale Debatte über ein erweitertes Verständnis von Sicherheit um eine Epoche zurück. In der hatte sich längst die Einsicht durchgesetzt, dass es umfassende Sicherheit nur geben kann, wenn sie die Aspekte Klima, Gesundheit, Fluchtbewegungen, Wirtschaft und Soziales einbezieht.

Dieses neue Denken hat auch die Münchner Sicherheitskonferenz mit der Zeit verändert. Und das jährliche Treffen von Verteidigungsministern und Militärexperten geöffnet für Bürgerrechtler, Umweltschützer, Wirtschaftsvertreter.

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Doch wenn sie an diesem Freitag nach München reisen – in stark dezimierter Präsenz wegen der Pandemie, viele nehmen digital teil –, drängt der russische Truppenaufmarsch alle anderen Themen an den Rand. Die Währung, die am Ende zählt, ist militärische Macht, frohlockt Putin. Wie in den Anfangsjahren der Konferenz, als sie noch „Wehrkundetagung“ hieß.

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Die halbe Welt pilgert nach Moskau, zu seinen Bedingungen. Dabei hat er wenig zu bieten außer dem Militär, das gemessen an der russischen Wirtschaftskraft völlig überdimensioniert ist.

Je weiter Sicherheit gefasst wird, desto schwammiger wird sie

Bürgerrechte, Klimawandel, globale Ungleichheit sind Putin egal. Ebenso, dass Öl und Gas in absehbarer Zeit an Wert verlieren und niemand sagen kann, von welchem Wirtschaftsmodell Russland dann leben will. Hauptsache, er kann sie heute als Hebel nutzen.

So ist die Lage. Die sichere Versorgung mit fossiler Energie und Soldaten zählen immer noch. Das bedeutet freilich nicht, dass die Öffnung des Begriffs der Sicherheit ein Irrtum war. Die Kehrseite ist vielmehr: Je weiter man ihn fasst, desto schwammiger wird er.

Klimawandel, Fluchtbewegungen, globale Ungleichheit sind Putin egal. Migranten an der Grenze von Belarus zu Polen.
Klimawandel, Fluchtbewegungen, globale Ungleichheit sind Putin egal. Migranten an der Grenze von Belarus zu Polen.

© picture alliance/dpa/BelTA/AP

Und umso komplizierter werden die konkreten Ableitungen, was zu ihrer Stärkung zu tun ist. Wie viel Geld soll in Verteidigung, Gesundheit, Soziales, Klimaschutz, globale Entwicklung fließen – und wie viel in die Erhaltung der Wirtschaftskraft, die die Basis aller Ausgabenpläne ist?

Haben Deutschland und Europa die Prioritäten in den Haushalten richtig gesetzt? Und passen sie diese rasch genug an, wenn die Lage sich dramatisch ändert? Seit acht Jahren ist klar: Putin hat keine Skrupel, Grenzen in Europa gewaltsam zu ändern.

Deutschland und Europa gewinnen langsam die Orientierung zurück

Ermutigend ist: Deutschland und Europa gewinnen allmählich die Orientierung zurück in dieser hässlichen neuen Welt, in der das Militär eine Renaissance erlebt. Sie erneuern das Bündnis mit Amerika. Sie setzen Putins Truppen ihre Wirtschaftskraft entgegen.

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Putin testet gezielt die neue Bundesregierung und die Stimmung in der Gesellschaft. Nach anfänglichen Fehlern haben Kanzler Scholz und Außenministerin Baerbock ihre Linie gefunden. Die Geschlossenheit des Westens hat Putin überrascht.

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Auch Bürgerinnen und Bürger orientieren sich neu. Der Weg war lang von der Sympathie für das Russland Gorbatschows und Jelzins zur Skepsis gegenüber Putin, von der „Kultur der Zurückhaltung“ als Lehre aus dem Krieg zur Bereitschaft, Bundeswehr zum Schutz der östlichen Nachbarn und Nato-Verbündeten zu entsenden. Nennenswerte Proteste gibt es nicht.

Der schwierigere Part steht der Ampel-Regierung und der Gesellschaft noch bevor: den aus dem Erschrecken über die reale Kriegsgefahr geborenen Kurs durchzuhalten. Die Gefahr ist nicht vorbei, der Angriff kann immer noch kommen, der Aufmarsch als Drohkulisse Monate währen.

Die Koordinaten der Sicherheit haben sich fundamental verändert. Das ist die neue Messlatte für Sicherheitspolitik.

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