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IWF: Wer sind die möglichen Nachfolger für Strauss-Kahn?

Offiziell geht alles weiter seinen Gang, im IWF-Hauptquartier in Washington ebenso wie bei den Treffen zur Griechenlandkrise und der Stabilisierung des Euro in Brüssel. Große Institutionen haben ihre erprobten Regeln, wenn ein Mitarbeiter ausfällt – und sei es der Boss.

Ob der 62-jährige Franzose Dominique Strauss-Kahn überhaupt noch einmal seinen Job als IWF-Chef fortführen kann, war am Montag unklar. Der Vorwurf der versuchten Vergewaltigung oder zumindest schweren sexuellen Belästigung einer Hotelangestellten in New York schien seiner Karriere ein Ende zu setzen – diese Schlussfolgerung kursierte in den Korridoren des IWF-Gebäudes in Washington, drei Straßenblocks westlich des Weißen Hauses. Nur wenige Stunden nach seiner Festnahme bestätigte die IWF-Führung die festgelegte Vertretung: Der erste Vizedirektor des IWF übernimmt die Leitung, der Amerikaner John Lipsky. Zu den Beratungen über Griechenland und den Euro am Montag in Brüssel reiste eine andere Vizedirektorin, Nemat Shafik. Sie ist erst seit wenigen Wochen beim IWF, hat die ägyptische, britische und amerikanische Staatsbürgerschaft und leitete zuvor die britische Entwicklungshilfe. Früher war sie die jüngste Vizedirektorin der Weltbank, der internationalen Zwillingsorganisation des IWF in Washington. Der Währungsfonds hilft in finanziellen Stabilitätskrisen seiner Mitgliedsstaaten aus. Die Weltbank kümmert sich um die weltweite Entwicklungshilfe. Institutionen und Abläufe sind wichtig, sie garantieren Kontinuität, wenn zentrale Figuren unerwartet ausfallen. Und doch sind es zumeist die einzelnen Persönlichkeiten mit ihren Charakteren, ihren Temperamenten und ihrer Ausstrahlung, die den Ereignissen ihren Stempel aufdrücken – oder eben nicht. Dominique Strauss-Kahn ist nicht so leicht zu ersetzen. Das sagt jeder, der ihn kennt. Er ist ein Mensch mit beträchtlichem Charisma und großem Einfluss. Ende 2007 wurde er an die Spitze des IWF berufen. In den dreieinhalb Jahren hat er den Währungsfonds aus einer Identitätskrise herausgeführt und vor schleichendem Bedeutungsverlust gerettet. Gewiss, er hat das nicht allein getan. Die globale Finanzkrise kam ihm dabei zu Hilfe. Aber er hat die Optionen, die sich daraus für den IWF ergaben, energisch und zielstrebig genutzt. Als er antrat, wirkte der Währungsfonds wie eine Einrichtung, die große Zeiten mit großen Verdiensten hinter sich hatte, aber eine neue Aufgabe suchen muss. Mit seinen Stabilisierungsprogrammen hatte der IWF die Folgen der Finanzkrisen in Argentinien, in Asien, in Mexiko und weiteren Ländern für die Volkswirtschaften der übrigen Welt gemildert. Doch die Auflagen, die er den Empfängerstaaten im Gegenzug für die verbilligten Kredite machte, waren unbeliebt. Nach der Jahrtausendwende hatten Länder mit dem IWF über Hilfsprogramme verhandelt, dann aber doch Kredite auf dem freien Markt gefunden, die ihnen mehr Selbstbestimmung ließen. Da deutete sich eine Existenzkrise an. Der IWF bezahlt seine Mitarbeiter und die laufenden Kosten aus den Zinsen, die er für die ausgereichten Kredite erhält. Wenn er immer weniger Geld verleiht, sinken die Einnahmen – und steht auf längere Sicht das Geschäftsmodell infrage. Dann kam Dominique Strauss-Kahn, dem der Ruf eines energischen und ideenreichen Managers vorauseilte – und kurz darauf folgte die weltweite Finanzkrise. Bei den G-20-Krisentreffen schob er den IWF in die Position eines globalen Retters, der über die Erfahrung, die geschulten Mitarbeiter und die nötigen Abteilungen verfüge und lediglich eine Kapitalaufstockung benötige, um segensreich einzugreifen. Die Regierungschefs der G 20 gingen darauf ein. Mit Finanzierungszusagen, die sich auf 900 Milliarden Dollar summierten, wurde Strauss-Kahn zu einer zentralen Figur der globalen Rettungsstrategie und zu einem internationalen Koordinator. Auch den Auftrag, ein weltweites Sicherheitsnetz zu spannen, das eine Wiederholung der Krise verhindern, beziehungsweise ihre Folge abmildern soll, zog er an sich. Wie sehr er und die Krise das Aufgabenfeld des IWF verändert haben, zeigt die Reise nach Brüssel, die er nicht mehr antreten konnte. Früher rettete der Währungsfonds mit dem Geld der westlichen Industriestaaten kriselnde Schwellenländer vor dem Absturz. Heute hilft der IWF Euro-Staaten wie Griechenland, also der sogenannten Ersten Welt. Es ist deshalb kein Wunder, dass nun bereits ein Kampf um Strauss-Kahns Nachfolge entbrennt. Nach einer ungeschriebenen Tradition leitet ein Amerikaner die Weltbank und ein Europäer den IWF. Wenn Strauss-Kahn abtreten muss, stünde die französische Finanzministerin Christine Lagarde als Nachfolgerin bereit. Doch Schwellenländer sind nicht mehr ohne Weiteres bereit, Europas Anspruch auf den Posten zu akzeptieren.

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